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Geschichte der freien Standesherrschaft, der Stadt und des landräthlichen Kreises Groß Wartenberg |
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3. Die Parochie Tscheschen
In der Protektionsbulle des Papstes Adrian IV. vom 23. April 1155, durch
welche das Breslauer Bistum seine Besitzungen zum erstenmal bestätigt
erhält, wird unter vielen anderen auch Tscheschen namentlich aufgeführt.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß frühe schon daselbst eine Pfarrkirche
gegründet wurde. Merkwürdigerweise aber fehlt es bis ins 16. Jahrhundert hinein an
einem urkundlichen Beweise für das Vorhandensein einer solchen. Erst aus
dem Jahre 1580 besitzen wir ihn in dem Bruchstück eines Berichts des
Bischöflichen Hofrichters Hans Schirowski von Schirow: "Ueber die
Tscheschener Güter, ihre Gränzen und was sie sonsten in sich enthalten."
Darin heißt es: "Die Kirche ist von Holtze, ganz baufällig und hinten
zugestützt; berichten die Leut, daß sie kaum noch ein Jahr mehr stehen
könne, befahren sich alle Tage, daß sie möchte einfallen". Im 16.
Jahrhundert bis ins letzte Viertel desselben waren die Herren von
Borschnitz "Bestandesinhaber" (Pächter) des Bischöflichen Haltes
Tscheschen. Wie bei Goschütz, so nahmen sie auch hier die Gelegenheit
wahr, sich - namentlich während der gar zu schwachen Regierung des
Fürstbischofs Balthasar von Promnitz - alle nur möglichen Vorteile zu
verschaffen. Damals war es Christoph von Borschnitz, welcher nach dem
Tode des Pfarrers Albricht zu Tscheschen den Pfarrhof und die in zwei
Hufen bestehende "oben beym Fuhrwerk" belegene Pfarrwidmut einzog und
zum Dominium schlug. Da er vom katholischen Glauben zum Protestantismus
abfiel, hat er natürlich auch die Untertanen zur Neuerung
herübergezogen. Die demnächst vom benachbarten evangelischen Pfarrer zu
Steine bediente Kirche blieb baulich vernachläßigt. Auch die folgenden
Bestandesinhaber waren (mit einer einzigen Ausnahme) protestantisch und
taten wenig oder gar nichts für Erhaltung des Gotteshauses. Der
Tscheschener Halt brachte dem Bischof nicht mehr den geringsten Ertrag
und Bischof Erzherzog Karl (1608-24) faßte deshalb den Entschluß, ihn zu
veräußern. Das Domkapitel wollte das vielhundertjährige kirchliche
Besitztum nicht in fremde Hände übergehen lassen und erkaufte den
Tscheschener Halt 1622 für 25.000 Rtl. Die Untertanen waren damals
durchweg protestantisch. Erst um 1640, als Domherr Dr. Johannes
Siephetius Prokurator des Haltes war, gelang es demselben, einen Teil
der Einwohner in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen, und
ist Tscheschen damals wohl nach Goschütz eingepfarrt worden. 1651 finden
wir die dem Erzengel Michael geweihte Tscheschener Kirche als Filia von
Goschütz. Ihre Verfassung war eine elende. Der Pächter des Haltes wurde
kontraktlich verpflichtet, mit Hilfe der Gemeinde für die Instandsetzung
zu sorgen. Aber noch 1666 wurde über den erbärmlichen Bauzustand
geklagt. Im Turme hingen drei Glocken, im Dachreiter ein Glöcklein.
Gottesdienst wurde jeden dritten Sonntag vom Goschützer Pfarrer
gehalten. Die Mehrzahl der Parochianen war hier immer noch lutherisch.
Anstelle der alten, fast zerfallenen Kirche trat ein hoher, massiver
Rundbogenbau mit schöner Wölbung, welcher am zweiten Sonntage nach
Michaelis 1696 die bischöfliche Weihe empfing.
Die Zahl der Katholiken hatte inzwischen so zugenommen, daß im Jahre
1700 auch in Tscheschenhammer eine Kirche entstand. Wegen dieser beiden
Kirchen sah sich der Pfarrer von Goschütz gezwungen, einen
Hilfsgeistlichen zu halten, welcher zeitweise zu Tscheschen wohnte. Die
Wiedererrichtung einer selbständigen Pfarrei war schon ins Auge gefaßt
und für diesen Zweck am Anfange des 19. Jahrhunderts seitens des
Domkapitels eine Bauernwirtschaft käuflich erworben. Zunächst wurde 1852
Tscheschen einschließlich Tscheschener Halt zur Lokalie erhoben und der
bisherige Kaplan von Goschütz, Robert Przybyla, (geb. zu Strehlitz Kreis
Namslau, 1. August 1824; Priester seit 1. Juli 1849) unterm 24.
September 1852 als Lokalist angestellt. Nach dem Tode des Pfarrers
Orlich von Goschütz erfolgte durch Urkunde des Fürstbischofs Dr.
Heinrich Förster unterm 22. März 1859 die Erhebung der Lokalie zur
Pfarrei mit der Filiale Tscheschenhammer und am 11. April desselben
Jahres Przybylas Investitur als Pfarrer. In bewundernswürdiger Rüstigkeit
feierte der von seinen Kirchkindern hochverehrte Seelsorger (welcher von
1882-95 auch das Erzpriesteramt im Militscher Archipresbyterat
bekleidete) sein goldenes und diamantenes Priesterjubiläum unter
allgemeiner Teilnahme. Anläßlich des letzteren wurde die Pfarrkirche
restauriert und sind dem Jubilar hohe Ehrungen zuteil geworden. Papst
Pius X. sandte ihm den päpstlichen Segen, Fürstbischof Kardinal Kopp
ernannte ihn zum Geistlichen Rat, des Kaisers und Königs Majestät
verlieh ihm den Roten Adlerorden mit der Zahl 60. Nach nur kurzer
Krankheit segnete der ehrwürdige Priestergreis und Bistumssenior am 19.
Oktober 1910 das Zeitliche. Sein Nachfolger wurde der bisherige Kuratus
Paul Brendel in Tscheschenhammer (geb. Breslau 19. Juli 1876, Priester
seit 21. Juni 1904), welcher am 9. Februar 1911 das Pfarramt antrat.
Die Filialkirche in Tscheschenhammer
Im Jahr 1700 wurde hier, wie bereits erwähnt, unter dem Titel von
St. Johannes dem Täufer eine Kirche aus Holz erbaut, welche man 1789/90
durch einen Massivbau ersetzte.
Um den bis zu 15 km Weges von der Pfarrkirche entfernt wohnenden
Parochianen eine bequemere Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu
ermöglichen und zugleich den Pfarrer zu entlasten, ist 1906 die
bisherige Filiale zur Kuratie erhoben und ein Kuratus am Orte angestellt
worden. Der erste war Franz Janik, (geb. 1. September 1876, ord. 20.
Juni 1903) seit 16. Juli 1906 am Orte. Ihm folgte am 7. August 1908 Paul
Brendel, und als dieser 1911 Pfarrer von Tscheschen wurde, der bisherige
Kaplan Max Mokroß aus Lipine.
Wegen Errichtung einer selbständigen Pfarrei Tscheschenhammer schweben die Verhandlungen.
Schulen in der Parochie
1. Tscheschen. In vorreformatorischer Zeit war hier, wie bei allen
Pfarrkirchen, eine Pfarrschule, deren Lehrer zugleich das Organisten-,
Küster- und Kirchschreiberamt bekleidete. Das bezeugt uns der schon
erwähnte hofrichterliche Bericht vom Jahre 1580, welcher unter den
pfarreilichen Pertinenzien auch das "Schreibhäusl auf der Dorfau" nennt.
Gegen Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts ist eine katholische
Schule neu gegründet worden. 1802 noch diente das Schullokal zugleich
als Lehrerwohnung und war räumlich unzureichend, so daß nicht alle
schulfähigen Kinder aufgenommen werden konnten. 1828 wurde ein neues
Schulhaus gebaut und ein Hilfslehrer angestellt. 1897 erhielt die Schule
ein dritte, 1908 ein vierte Lehrkraft. 1900 ist ein stattlicher Neubau
errichtet worden. Die Schule zählt 290 Kinder, welche in fünf Klassen
unterrichtet werden. Eingeschult sind: Bunkai und Dobrzetz.
2. Tscheschenhammer. Die Schule ist wahrscheinlich gleichzeitig mit
der Kirche entstanden. 1802 wird über ihre schlechte Verfassung geklagt.
Ein zweiter Lehrer ist seit 1905 angestellt. Schüler: 107. Eingeschult
ist Wedelsdorf. 1904 wurde ein neues Schulhaus erbaut.
3. Conradau. 1828 gegründet. 100 Schüler. Eingeschult: Grabek und
Poremben. Im Jahre 1910 wurde am Schulhause ein Erweiterungsbau
ausgeführt. Ein Lehrer.
4. Tscheschen-Glashütte. 1860 gegründet. 55 Schüler. Einklassig. Eingeschult: Kolonie Fuchszahl.
5. Johannisdorf. 1890 gegründet. 50 Schüler. Einklassig. Eingeschult: Ernstdorf und Kolonie Starsen.
Die ehemalige mater adjuncta zu Steine
Ursprünglich selbständige Pfarrkirche, hatte sie bei Einführung der
Reformation gleiches Schicksal mit den übrigen Landkirchen der
Standesherrschaft. Nachdem sie 1654 für den katholischen Kult
zurückgegeben war, wurde sie nach Goschütz adjungiert. Das unter dem
Titel von St. Maria Magdalena stehende Gotteshaus war ganz aus Holz, in
seinem mit Blech gedeckten Dachreiter hingen zwei Glocken; der Kirchhof
war von einer zerfallenen Mauer eingeschlossen. In der Kirche befand
sich ein Altar mit dem Bilde des hl. Abendmahls; ein Taufstein war nicht
vorhanden, es fehlte auch sonst an jeglichem Schmuck und an allen
Paramenten. Das Patronat stand dem Grundherrn zu. Derselbe hatte "von
altersher" dem Pfarrer von Steine zu leisten: Dezem 22 Rtl. bar, 6
Scheffel Roggen, 1/2 Schock Karpfen, 2 Viertel jeder Kuchelspeise, 1
Schlachtschwein, 1/2 Beete Rüben, 1 fertiges Beete Kraut; ferner war er
verpflichtet, ihm 1/2 Viertel Lein zu säen, wie auch 8 Schweine in der
Eichelmastung frei zu halten. 1666 erhielt der Pfarrer aber nur: 22
Taler bar, 6 Scheffel Roggen, 30 Karpfen, 1 Schöps und freie Eichelmastung für 8
Schweine. Von den Wirten zu Steine bekam er 10 Viertel Bohnen. Der
Gutsherr des nach Steine eingepfarrten Dorfes Bunkai war verpflichtet zu
geben: 1 Scheffel 2 Viertel Roggen, 1 Viertel Gerste, 2 Maß Fische und 1
Taler bar. Das Visitationsprotokoll des Erzpriesters Polanski-Militsch
v. J. 1697 meldet: Die Kirche zu Steine gleiche einer Ruine, der Patron
tue nichts zur Wiederherstellung und nur viermal im Jahre halte der
Pfarrer Gottesdienst daselbst. Erzpriester Scholz-Militsch schreibt
1698: Die Kirche in Steine sei völlig ruiniert, ohne Lebensgefahr könne
man sie nicht betreten, weshalb auch die hl. Geheimnisse darin nicht
mehr gefeiert werden können. Da weitere Nachrichten fehlen, ist es sehr
wahrscheinlich, daß die Kirche um jene Zeit abgetragen wurde. In den
zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stand noch ein Glockenturm mit
zwei Glocken, die gegenwärtig im Giebel des dasigen evangelischen
Schulhauses hängen. Dieses nebst Garten nimmt den früheren Kirchplatz
und Kirchhof ein. Ein ungefähr 1,25 ha großer Widmutsrest gehört jetzt
zur Pfarrei Tscheschen.
Die ehemalige katholische Pfarrkirche in Suschen
Der Kirchenhalt Tscheschen umfaßte anfänglich ein weit größeres Gebiet,
dessen nordöstlichen Teil die bischöfliche Vogtei Suschen ausmachte,
welche, wie uns eine Urkunde vom 1. März 1272 beweist, damals noch dem
Bischof gehörte. Unzweifelhaft ist frühe schon in diesem ausgedehnten
bischöflichen Gebiete eine Pfarrkirche begründet worden. Die zu Ratibor
am Tage des hl. Laurentius (10.8.) 1287 ausgestellte Urkunde nennt neben
anderen Pfarrern auch den Pfarrer Johannes von Suschen ("rector
ecclesiae Johannes de Sosno") und gibt uns damit Kunde vom Bestehen
einer Pfarrkirche in der Vogtei Suschen, welch' letztere um jene Zeit
vermutlich aus dem Besitz des Bischofs ins herzogliche Eigentum
übergegangen war. Es ist das die einzige, nichtsdestoweniger aber
zuverlässige Nachricht, welche uns das Bestehen einer katholischen
Pfarrkirche zu Suschen in jener so weit zurückliegenden Zeit bezeugt.
Nirgends mehr erfahren wir etwas von dieser Kirche und wir haben auch
sonst keinen Anhalt, um folgern zu können, wann und auf welche Weise das
ehemalige katholische Pfarrsystem Suschen erloschen ist und seine
Pfarrkirche sich verloren hat, sodaß treffend hier das Uhland'sche Wort
Anwendung findet:
Von der verlornen Kirche soll
Der Klang ertönen in den Winden.
Einst war der Weg von Betern voll;
Jetzt weiß ihn keiner mehr zu finden.
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