Spaziergang durch Groß Wartenberg

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Spaziergang durch Groß Wartenberg - Teil2 - Teil3

Inhaltsverzeichnis

Das Rathaus

in einer Stadt ist seit jeher der Stolz ihrer Bürger. Nicht anders war es in Groß Wartenberg, zumal unser Rathaus wirklich sehr eindrucksvoll aussah. Wie allgemein bekannt ist, steht dieses Wahrzeichen nicht mehr. Schändliche Hände haben es nach den Kampfhandlungen im Januar 1945 in Brand gesteckt. Dabei wurden sowohl wertvolle Personenstandsbücher ab 1874 als auch bedeutsames Archivmaterial vernichtet. - Die gute Erinnerung bleibt bestehen! Das Rathaus wurde nach dem großen Stadtbrande von 1815 erbaut. Die feierliche Einweihung erfolgte am 10.12.1810. Laut Franzkowski-Chronik betrugen die Bauausgaben des Wiederaufbaues 4.500 Taler. Dazu kommt eine Lieferung von Baumaterialien des Standesherrn im Werte von 200 Talern. Das Bauholz kam aus dem Stadtforst. Anerkennenswert ist die Tatsache, daß die "bespannten Wirte" des Kreises unentgeltlich Baufuhren zur Verfügung gestellt haben.

DerRathausturm hatte ursprünglich nureine Höhe von 28 m; 1853 wurde m auf 40 m erhöht. Dabei wurde die neu beschaffte Stadtuhr eingebaut. Die bebaute Fläche (einschl. des Eckgeschäftes) betrug etwa 30 x 30 m = 900 qm. Links vom Haupteingang waren die Räume der Stadtkasse, rechts die der Verwaltung einschl. der Polizei. Im 1. Stock befand sich der repräsentative Sitzungssaal, daneben das Büro des Bürgermeisters, in dem auch in der Regel die standesamtlichen Trauungen vorgenommen wurden. Auch die Wohnung des Behördenchefs war hier zu finden. Unvergessen bleibt die Inschrifttafel eines Stadttores aus dem 15. Jahrhundert, die 1853 über dem Portal des Rathauses angebracht wurde. Der inhaltsreiche Wahlspruch lautet:


UT VIRTUS CIVIUM SIC FLOREAT URBIS FORTUNA ☆☆☆ "Wie die Tugend der Bürger, so blühe das Glück der Stadt!"

H.P.

Darf ich einladen zu einer "Traumreise" nach Groß Wartenberg, wie wir es bis 1945 kannten und liebten und das wir leider so, wie wir es verlassen haben, nicht mehr wiedersehen werden. Gewiß war schon mancher in der alten Heimat, und viele werden folgen; sie werden aber immer nur Sycow finden. Unser altvertrautes Wartenberg lebt nur in der Erinnerung!

Wenn unser Bähnle, von Oels kommend, aus dem Stradamer Wald herausfuhr, sicherte ich mir immer einen linken Fensterplatz. Über die weite Ackerfläche von Neuhof ging der Blick nach der Stadt, die gerade von dieser Stelle aus, von der Abendsonne

beschienen, einen prächtigen Anblick bot. Leider war er nur kurz, da sich der Spanielberg dazwischen schob.

Bald rollte der Zug in den Bahnhof. Das Empfangsgebäude war immerhin ganz ansehnlich, und hätte man ihm etwas Pflege angedeihen lassen, wäre es sogar schön gewesen. Bei den Grünanlagen war dies der Fall. Am Güterbahnhof standen zwei Beamtenhäuser. Es wohnten dort Hoffmann, Wutke, Wiesner u.a. Ließ man den Blick über die Gleise schweifen, so sah man, von den Bäumen fast verdeckt, am Hang die neuen schmucken Eisenbahnhäuser. An diesem Berg bei Peterhof ist 1942 ein Flugzeug zerschellt. Über die Schranken geht's zum Weinberg hoch mit seiner gern besuchten Gaststätte im Grünen. Für alle geistigen und leiblichen Genüsse zeichnete Gastwirt Koschig/Weinert verantwortlich. Schmissige Tanzmusik lieferten die Geschwister Kleinert. Am Osthang lag idyllisch einer der schönsten Schießstände weit und breit, von Kameraden des Kriegervereins errichtet. Nun wenden wir uns der Stadt zu. Eine Kleinpflasterstraße mit breitem Fußweg lud dazu ein; Bäume spendeten Schatten. Zunächst sehen wir das Prinzliche Sägewerk, das lange Jahre von Förster Kroll verwaltet wurde, später von Hermann Thänert. (In dem offenen Schuppen speicherten die Russen die erbeuteten" Nähmaschinen, Klaviere usw. Diese Wertstücke waren in kurzer Zeit unbrauchbar). Die nächsten 500 m der Straße verliefen durch freies Feld, dem Mustergut SchloßVorwerk zugehörig. Alsdann kommen wir zu den beiden Zollbeamtenhäusern. Da die Bewohner häufig wechselten, waren die Bauten nicht besonders gut erhalten. Das nächste Haus ist die "Große Villa". Sie beherbergte das Katasteramt und seit Juli 1944 die Bauleitung III des "Bartold-Unternehmens". Die jugendlichen Schanzer brachten viel Unruhe in die Stadt; zudem waren die Anstrengungen erfolglos, weil die von ihnen errichteten Panzergräben die Russen nicht aufhielten. Zwischen den vorgenannten Grundstücken verlief die Goethestraße. Hier lag zur Rechten das Haus des Kriegsblinden Kursawe, der mit Hilfe seiner tapferen Frau ganz zufrieden lebte. Dahinter war noch ein Einfamilienhaus von Schwing. Hier wohnte bis 1939 Vermessungsinspektor Hoffm ann. An der Bahnhofstraße gehörte das nächste Haus dem ehemaligen Kreisbeamten Karl Rindok. Als überzeugter Republikaner wurde er 1933 gegangen. Er war alsdann erfolgreicher Handelsvertreter in Bäckereiartikeln. Mieter waren die Familien Koch und Neugebauer. Wir kommen zur Gallwitzstraße, einer Sackgasse, nicht sehr glücklich angelegt. Das originelle Eckhaus, dem Kreisbautechniker Laube gehörig, bewohnte lange Jahre die Familie Rektor Radler. Dahinter hatte wiederum ein Kursawe ein Wohnhaus. Dort wohnte auch die Famllie seines Schwiegersohnes, des Vermessungsinspektors Brandt, der als Hauptmann einer der wenigen Überlebenden aus dem Kessel von Wielkie Lukie war. Es folgte das Doppelwohnhaus für Gendarmeriebeamte, in dem auch die Familie Honisch wohnte. Das Haus zur Rechten diente sechs Postbeamten als Wohnstätte. Als letzte Bewohner habe ich den Finanzangestellten Babiak und die Witwe Marie Rösler notiert. Mit der Front nach der Bahnhofstraße folgt das Vierfamilienhaus des Wohnungsbauvereins. Dort wohnte bis zum Umzug in das Rathaus die Familie des Kreisoberinspektors Wäscher. Im Obergeschoß links liegt die Wohnung der Familie Krim.-Ass. i.R. Ernst Weiß. Der Sohn Manfred ist auch heute noch begeisterter Wartenberger. Rechts wohnte der Just.-Ang. Pietsch mit seinen Schwestern. Das schlichte Häuschen des Rentners Paul Scholz setzt die Reihe fort. - Es kommt eine Baulücke. Wahrscheinlich war da eine Straße vorgesehen. Daran grenzt der Ev. Kindergarten, der früher als Landschule gebaut wurde. Kinderschwester war Fräulein David, Hausmeister der Kriegsversehrte Jurok.

Das nächste Haus ist schon stattlicher. Sein Besitzer, Tierarzt Dr. Pflugmacher, ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten von Stadt und Land durch seinen Beruf und sein stattliches Auftreten als Major der Schützengilde. Jeder Zoll Offizier der alten Schule. Symbol der hohe Stehkragen à la Hjalmar Schacht. Leider ist Dr. Pflugmacher schon zur großen Armee abberufen worden. Er hätte sonst sicher die Geschichte der über 300 Jahre alten Schützengilde schreiben können.

Der Nachbar zur Rechten ist auch eine bekannte Persönlichkeit, der Kreisbote Schroeter. Schrieb man seinen Namen mit "ö", sträubten sich alle Haare seines gewaltigen Vollbarts. Mieter war der Gen.-Kreisleutnant Rehfeld, der ein Opfer der Polen wurde.

Die Häuser der Bahnhofsvorstadt blieben bis auf eines insgesamt erhalten.

Bahnhofstraße - Eisenmängerstraße

An der linken Seite der Bahnhofstraße sehen wir die "Doktor-Ecke". Diese Bezeichnung blieb bestehen, obwohl der Lebensmittel-Kaufmann Doktor sein Geschäft von hier zum Ring verlagerte. Sowohl die Allgemeine Ortskrankenkasse als auch die Landkrankenkasse waren in diesem auffälligen Gebäude untergebracht. Leiter der AOK war Hauke, der hier auch wohnte. Eine Wohnung war an Gerhard Jähner (fr. Ortsgruppenleiter) vermietet.

Jetzt besuchen wir einen verdienten Wehrführer, den Brandmeister und Tischlermeister Aulich Oskar, ein Handwerker von altem Schrot und Korn, dem der Abschied von der Stätte seines Wirkens gewiß besonders schwer gefallen sein wird. Sein Besitz umfaßte zwei Häuser, ein älteres (bekannter Mieter: Eisenbahner Mlitzko), ein 1910 erbautes moderneres. Im Obergeschoß wohnte der pensionierte Stadtrendant Tunsch. Sein Sohn (Muckel genannt) war als "Herr von der Presche" weitbekannt.

Benachbart ist das Anwesen Hilse. Es war 1900 als Molkerei ein fortschrittliches Unternehmen, entlastete die Landfrauen und bescherte den Verbrauchern Waren in gleichmäßiger Qualität. Durch die unglückliche Grenzziehung nach dem 1. Weltkrieg verlor Hilse den größten Teil seiner Lieferanten; der Betrieb kam zum Erliegen. Verblieben von der alten Herrlichkeit war der Butter- und Käsekeller, den die Hilse Paula wortgewaltig beherrschte. Papa Hilse war ein begeisterter Erzähler der guten, alten Zeit und mit Stolz zeigte er seinen Besuchern das Ehrenbeil, das er für 50jährige Bewährung als Feuerwehrführer erhalten hatte. Leider war ihm ein schweres Ende beschieden; er starb durch Russenhand und liegt in seinem Garten begraben. Auch der Steinmetzmeister Moses übte hier sein schönes Handwerk aus. (Was mag auf unserem Friedhof noch von seinen Werken vorhanden sein?) Außerdem wohnte noch die Familie des Kriegsversehrten Skotny im Hause.

Die Ecke zur Waisenhausstraße bildete das Grundstück des ehemaligen Prinzlichen Güterdirektors Barkmann, die ehemalige Oberförsterei. Im Erdgeschoß wohnte der Prinzliche Schäfermeister a.D. Malich.

Nun zurück zur rechten Seite. Da ist zuerst die Schloßbrauerei, die als solche stillliegt. Jetzt hat hier nur noch die Haselbach Brauerei, Namslau, unter dem Bierverleger Buchwald ihre Niederlage. Vor dem 1. Weltkrieg hatte der Brauer Felix Brosig aus Habelschwerdt an dieser Stelle seine Wartenberger Laufbahn begonnen. Zuletzt bestand nur die Gastwirtschaft; der Wirt hieß Wendler, sein Vorgänger Witzke. - 1944 wurden im Zuge des Baues der Bartold-Stellung im Garten des Adelenstiftes zwei Behelfsheime errichtet. Aber das Stift selbst wird an der Waisenhaustraße berichtet.

Nun überschreiten wir den Jahnplatz. Der Gedenkstein für den alten Turnvater Jahn steht im Schatten einer Eiche. Hinter der Postbrücke rechts befindet sich das Postamt selbst. Es ist vielleicht das einzige in Deutschland, das im Tudorstil (wie das Schloß) gebaut wurde. (1945 brannte es aus.) Bewohnt war es zuletzt von Postmeister Hielscher, der mit seiner Frau in der Polenzeit ein schweres Schicksal erlitt. Es folgt das Rentmeisterhaus, von Franz sen. bewohnt; ein würdiger alter Herr, der mit 80 Jahren noch am Schreibpult der Prinzlichen Rentmeisterei stand. - Im Dachgeschoß wohnte Frau David.

Wir kommen zur Schloßkirche (1785-89 erbaut), die Gotteshaus der Ev. Gemeinde war. Ein schöner Kuppelbau, entworfen von dem berühmten Meister Langhans, dem Erbauer des Brandenburger Tores. Die Kirche heißt nach dem Prinzlichen Patronen "St. Peter und Johannes". Auf der Kirche befindet sich die Erdkugel, die von einer Schlange umzingelt wird, dem Symbol der Sünde. Darüber steht der Kelch mit der Hostie, zum Zeichen der Überwindung durch das Christentum. (Die Kuppel und das Dreieck sowie die Säulen erinnern an die Peterskirche in Rom.) Die drei Glocken hängen jetzt in der ev. Kirche in Preetz/Holstein.

Nun zurück zur linken Seite der Eisenmängerstraße. Gleich an der Brücke das Geschäft des Fleischermeisters Vinzenz Müller. In seiner Sturm- und Drangzeit ein gefürchteter Ringkämpfer. Er war kein Nazifreund. Bei ihm wohnte die Schwester seiner Frau, Fräulein Sebel. Daneben, wie es sich gehört, war der Bäckermeister Häusler, der auch ein Kolonialwarengeschäft betrieb. Geschäftsleiter war der Kempa Korle, der später mein Schwiegersohn wurde. Oben wohnte die Familie Ibsch. Der Vater starb im Kriege. Sohn Horst heiratete die Tochter des Hauses. Die Eisenmängerstraße, am Ende immer breiter werdend, mündete in den Luisenlatz; so genannt zu Ehren der Königin Luise, die 1812 an dieser Stelle empfangen wurde. Hier lag, behäbig und eine große Fläche einnehmend, das "Eiserne Kreuz", ein schon äußerlich einladendes Gasthaus. Im Innern machten die Muttel Michalke und ihre Tochter den Gästen den Aufenthalt mehr als angenehm. Der Sohn, Pin genannt, wurde im Kriege Bahnhofswirt in Kempen. Im Erdgeschoß rechts wohnte Oberlehrer Witt, ein kleines Genie mit Künstlerallüren; im Obergeschoß Steuerinspektor Hubert und Frau. Hubert war in allen Vereinen geschätzt, manchmal auch wegen seiner Offenheit ein bißchen gefürchtet. Er wurde ein Opfer der Polenzeit und ruht im Park von Gut Himmelthal. Weiterhin wohnte Familie Hoffmann im Hause. Bleiben wir mal ausnahmsweise auf der linken Seite der

Schloßstraße

wo wir auf das Haus Rindok stoßen. Er war Obermeister der Schneiderinnung. Auch wohnte der Kunst- und Kirchenmaler Bernhard Gohla darin. - Dem Pfarramt der Ev. Kirchengemeinde und der Dienstwohnung des zweiten Geistlichen dient das nächste Grundstück. Bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst amtierte Pastor Bode hier. Gegenüber liegt nun vor uns das Schloß, seit über 200 Jahren Sitz der Standesherrschaft Biron von Curland. Es hatte von der Stadtseite mehr das Aussehen einer alten Burg. Von der Parkseite wirkte es durch die Anlagen viel freundlicher. Im Tudorstil gebaut, glich der große Baukörper einem englischen Herrensitz. Der alte Prinz (Gustav) war im 2. Kriegsjahr gestorben und mit großen Ehren im Mausoleum im Schloßpark beigesetzt worden, wie ein Jahr vorher ein Prinz von Preußen, der Bruder seiner Schwiegertochter, der im Polenfeldzug gefallen ist. (Ihre Särge und die ihrer Vorfahren, soweit sie nicht einige Wochen vor dem Zusammenbruch in die Kath. Kirche überführt worden sind, wurden von Russen zerbrochen und geplündert.) Die zweite Gemahlin des Prinzen Gustav, Marquise Emma Elis. Francoise de Jeaucourt war der gute "Engel" der Stadt; sie hat sehr viel Gutes getan. Im 1. Weltkrieg, in der Revolutionszeit und während des 2. Weltkrieges wurde die allseits geschätzte Prinzessin wegen ihrer französischen Abstammung oft zu Unrecht angefeindet. Durch die unsinnige Grenzziehung 1920 verlor die Herrschaft die Hälfte ihrer Güter und die Stadt ihre Existenzgrundlage. Seit Mitte 1944 war der alte Teil des Schlosses vom Finanzministerium beschlagnahmt und belegt. Prinz Karl von Curland (Erbprinz genannt) mit seiner Gemahlin Herzeleide, geb. Prinzessin von Preußen, Tochter des Prinzen Oskar, und den zwei Kindern bewohnten den neuen Teil des Schlosses. Heute ist von dieser Herrlichkeit keine Spur mehr vorhanden. Plündemde Sieger haben es im Mai 1945 in Brand gesteckt.

Ring

Wir kommen nun zum Ring, der heute keinermehr ist, weil unser schönes Rathaus mit seinem Minarett nicht mehr existiert; es sank 1945 in Schutt und Asche einschließlich des Eckhauses mit dem Kolonialwarengeschäft von Slotta. Das Kriegerdenkmal ist natürlich auch verschwunden. (Parkplatz brauchen die Polen nicht, also wurde der Platz Grünanlage.) Betrachten wir die rechte Ringseite. Das Eckhaus gehört dem Winning Gustel. So sprach man nur von dem Inhaber der für Kleinstadtverhältnisse sehr gut sortierten Buch- und Schreibwarenhandlung. Eine Filiale des Kaiser's-Kaffeegeschäfts war links der Haustür. Im 1. Stock war die Praxis des Zahnarztes Reusche. Auch die Schneiderin, Frau Gertrud Spiller, wohnte dort. Unser Meisterfotograf Walter, dem wir u.a. die meisten Ansichtskarten unserer Stadt verdanken, war Nachbar zur Linken. Hier fabrizierte früher Grätz seine Zigarren. Jetzt kommen zwei sehr geschmackvoll und modern eingerichtete Läden. Einmal das Parfümerie- und Seifengeschäft Slotta, zum anderen das Uhren- und Goldwarengeschäft Peterschütz Letzteres war früher das Möbelgeschäft Seivert. In dem folgenden Eckhaus bot der Fleischermeister Wollny seine Erzeugnisse an. (Dieses Haus erhielt z.Zt. den ersten Aritreffer.) Einen breiten Raum an der Ostseite des Ringes nahm das bekannte Hotel "Schwarzer Adler" (Pächter Bolz) ein. Eigentümer war Wrobel.

Auch das dem Destillateur Dittrich gehörende Haus steht noch. Seine Getränke waren beliebt, besonders sein "Schwarzer". Daß man den Inhaber "Box" nannte, störte ihn nicht mehr. - Das große Eckhaus, in dem sich das Geschäft "Schuh-Vogel" befand, existiert nicht mehr. In diesem verhältnismäßig hohen Hause (ursprünglicher Eigentümer Golinski) war auch die Praxis des Dentisten Kiunka untergebracht. Das Eckhaus Ring-Kirchstraße war ein Schwefelhaus, in dem Frau Paech ein gutgehendes Milchgeschäft betrieb und wo die Lehrerin Zehnpfund wohnte. Man sprach also nicht ohne Grund von "10 Pfund Pech und Schwefel." (Heute ist darin eine Konditorei mit Café. Bis auf Hönsch und Guder wurden alle übrigen Häuser dieser westlichen Ringseite zerstört; sie sind im polnischen Einheitsstil wiederaufgebaut worden.)

Benachbart war das sogenannte Ullmannhaus, zuletzt dem Gastwirt Witzke gehörig. Bis zum Schluß hatte Kaufmann Doktor sein Kolonialwarengeschäft darin. - Im nächsten Haus wurden von der zarten Hand der Dentistin Hönsch Zähne gezogen und plombiert. Weiter daneben sorgte Malermeister Konrad Guder für innere und äußere Schönheit der Wohnungen und Häuser. Mechanikermeister Syrocki war das 1. Haus am Platze für Nähmaschinen, Fahr- und Motorräder. Und die Bäckerei Hoffmann war nicht minder bekannt. Noch mit 80 Jahren war Hoffmann der erste in der Backstube. Allmorgendlich machte er dann seine Frühstücksrunde, die bei Stampe endete. Im 2. Kriegsjahr hatte er sich eine Erkältung zugezogen, die zu seinem Tode führte. In den ersten Tagen des neuen Jahres haben wir ihn mit militärischen Ehren begraben. Seine Tochter, Frau Mandler, hat das Geschäft bis zur Vertreibung geführt. Einen schönen Abschluß dieser Ringseite bildete der Neubau des Geschäftshauses Sperling mit dem modernen Schuhladen, das Rechtsanwalt Goldmann, Festenberg, gehörte. Ursprünglich sollte an diesem Platz ein Kino entstehen. Hätten die Erbauer daran denken können, daß es in sechs Jahren ein Trümmerhaufen sein würde?

Bewohner u.a. Vermessungsinspektor Oberndorff und Familie Muslik. Die südliche Ringseite wird zu drei Vierteln vom Amtsgericht eingenommen, ein zwar bescheidener Zweckbau, der doch repräsentativ wirkte. Da die unteren Räume sehr feucht waren, hat man Anfang der 30er Jahre viel Geld in eine gründliche Renovierung gesteckt. (Das Gebäude steht auch heute noch.) Bewohner waren die Familien Gottwald (Justizinspektor) und Avemarg (Justizwachtmeister). Frau Avemarg war "Herrin" der Kinokarten. An der Ecke Friedrichstraße war ein Häuschen, das früher Peterschütz, später Goebel gehörte. Bewohner waren die Familien Sommerkom und Prasse. Wir überqueren den Ring zur großen Straße, die früher Herrenstraße genannt wurde, später aber die Bezeichnung

Hindenburgstraße

erhielt. Das Eckhaus zur Gartenstraße wirkte für unsere kleine Stadt durch die zahlreichen Schaufenster recht imponierend. Es war ein Textilkaufhaus, das ursprünglich der jüdischen Familie Mendel gehörte und später von der Firma Gerhard Bauer übernommen wurde. Als Wohnungsmieterin ist die Schneiderin Meta Bautz bekannt. (Auch dieses Gebäude blieb erhalten.) Eigentümer des 2. Grundstücks auf der rechten Seite war die Firma Kasparek, Eisenwaren, Haushaltsgeräte usw. Auch ein kleiner Ausschank gehörte dazu. Der alte Herr war im Kriege verstorben; sein Sohn wurde von den Polen in der Villa Martha gefangen gesetzt und natürlich "human" behandelt. Inzwischen hat man sein Haus zerstört, wie auch das seines Nachbarn, des Sattlermeisters Menzel. Eine Rarität war das nächste Grundstück des Bäckermeisters Paul Mosch (vorher Ruby). Er hat Haus und Geschäft umgebaut und dem Laden eine beinah einmalige Außenfront gegeben, indem er sie in den Bäckerfarben weiß/blau vertäfelte. Auch das Nebengebäude, das zwei jüd. Junggesellen namens Jakob gehörte, erwarb M. mit der Absicht, ein großartiges Café einzurichten; konnte es jedoch im ersten Anlauf nicht durchbringen. Übrigens hat Mosch in Freiberg i/Sa. wieder ein eigenes Grundstück mit Bäckerei. Nachbar Hankes Haus überstand den Krieg. Es war ein schönes Besitztum und enthielt ein Eisenwaren- und Kolonialwarengeschäft, ehe Weinstube, einen Bierverlag (Brauerei Sacrau) sowie eine Limonadenfabrik. Kaufmann Hanke war auch Würdenträger der Schützengilde und hatte versucht, deren wertvollen Schätze zu retten, sie wurden von den Russen geraubt. Herr Hanke hat die Strapazen der Vertreibung nicht lange überlebt. Die nächsten acht folgenden Grundstücke wurden restlos zerstört. Es waren: Müller, in dem sich der Laden des Elektromeisters Richter befand. Alsdann Haus und Laden des Schuhmachermeisters Mory. Mieter war Familie Schubinski. Desweiteren das Haus der Geschwister Schipke; das Friseurgeschäft hatte Woitzek gepachtet. Das anschließende Haus war ein Hotel (Zur Krone), Besitzer Adolf Jusczak, zwar Friseur von Beruf, doch ein tüchtiger Gastronom. Die Küche war bei seiner Frau in guten Händen.

Auch beim Nachbarn zur Linken konnte man seine geistigen Genüsse befriedigen. Es war eine Destille, Herrn Gustav Thiem gehörig, der auch Großhandel betrieb. Vorgänger war Skalla. Es kam das Haus David Kaufmann, der die alte Zierschrift großartig beherrschte. Pächter des Zigarrengeschäftes im Hause war Großkaufmann Garbisch, Dalbersdorf. Johann Protzer, von der Pike hochgedient, kam als Schneider nach Wartenberg und besaß dann das größte Modenhaus am Platze. Das Nachbarhaus, den drei jüdischen Geschwistern Altmann gehörig, konnte er erwerben und seinem Geschäft einverleiben. Protzer sen. hat die Vertreibung nicht lange überlebt. Auch sein Sohn, der in Süddeutschland eine neue Existenz gründete, deckt schon die kühle Erde.


Im gleichen Haus war noch das Lebensmittelgeschäft Nowak. Sein Vorgänger (Blümel) war der letzte Kaffeeröster der Stadt und hatte als solcher großen Erfolg. Den Abschluß der Straßenseite bildet das Hausgrundstück des Fleischermeisters Franz Berski. Es war ein stattlicher Bau, der nur von der eigenen Familie bewohnt wurde. Er hat als einziger in der Reihe die Russen überlebt. Nun zur linken Seite der Hindenburgstraße: Nach dem langen Gebäude des "Schwarzen Adlers" das Sternahl-Haus. Die Hausbesitzer wohnten im Oberstock, im Erdgeschoß Frau Heinrich. Ihr sehr bekannter und beliebter Ehemann "Onkel Heinrich", Oberpostsekretär, starb, allseitig betrauert, bei freundschaftlichem Ernteeinsatz im Jahre 1942. Benachbart war unsere Stadtapotheke, Besitzer Familie Peltz, zuletzt Breslau. Letzte Pächterin war Fräulein Nusche. Diese beiden Häuser blieben erhalten, während alle anderen der Straßenseite der Vernichtung anheimfielen. Nur das kleine Häuschen, "Villa Duckdich" genannt, an der Staßengabelung, das wegen Baufälligkeit geräumt war, blieb erhalten. An der Ecke Mittelgasse stand ein Gebäude, das für die Stadt sehr bedeutsam war. Es beherbergte die "Grenzlandzeitung für die Stadt und den Kreis Groß Wartenberg". Sie wurde gut redigiert und stand im Besitz der Familie Große. Bekannte Mitarbeiter waren: Albrecht und der ehem. Herausgeber unseres Heimatblattes Eisert. Ein moderner Laden mit einschlägigen Artikeln war angeschlossen. Schließlich wohnten noch die Familien Scholz (Zollbeamter) und Schulz (Ziegeleibesitzer) im Hause. Das nächste etwas bescheidene - Haus gehörte der Witwe des Klempnermeisters Jaroß. Den Laden hatte der Lebensmittelhändler Hugo Hessek gepachtet der sehr vielseitig war. Er schleppte Eier zusammen, pachtete Obstbäume, stach Spargel in der Anlage Oriwol und verkaufte Christbäume, die er selbst geschlagen. Reich wurde er dabei leider nicht. - Wieder kommen wir zu einem Grundstuck, das ursprünglich einem Juden Garnmann gehörte. Erster Erwerber war Großpietsch, der eine moderne Drogerie einrichtete, die von seinem Nachfolger Langner weiter vervollständigt wurde.

Das Haus daneben gehörte dem Bäckermeister Heinschild (Vorgänger Matz). 1918 verschlug ihn das Schicksal von Österreich nach hier. Bis 1937 hatte er die Bäckerei im Hause Ernst Drieschner gepachtet. Heinschild war sehr rührig und auf jedem Fest und jedem Anlaß zu finden. Im eigenen Hause wollte er ruhiger leben. Zuletzt war er bei einem Dresdener Zirkus. Den Schluß in der Reihe bildete das Haus des Uhrmachermeisters Günther. Außer seinem Laden war noch die Filiale des Schokoladenhauses Pohl, Breslau, im Hause. Prominenter Mieter war der alte und humorvolle Rendant i.R. Klötzel. Rechts sehen wir das alte Schützenhaus, später Stadtbrauerei genannt. Man hat das große Grundstück geteilt. Das Hauptgebäude erwarb der Erfolgskaufmann Bruno Brosig Er baute die Geschäftsräume zu einem großen Ladengeschäft um und verlegte die Wirtschaft auf die andere Seite. Pächter war zuletzt die Familie Beer. Der große Hof (Stadtbrauereihof genannt) war Marktplatz und Übungsplatz der Freiw. Feuerwehr. Das anschließende Brauereigebäude wurde von Kutschera-Sommerkorn zu den erstklassigen "Ostland-Lichtspielen" umgebaut. Das Theater richtete man nach den modernsten Gesichtspunkten ein, es hätte sich in einer Großstadt gut sehenlassen können. (Heute heißt es "Piasten-Kino". Meines Erachtens nicht sehr logisch, da die Piasten in Wartenberg kaum etwas zu sagen hatten.) Wir überschreiten nun die Wallbrücke, wo im "Tal" die Gasanstalt liegt. An der Straße das Wohnhaus unseres tüchtigen Gasmeisters Scholz. Wie sparsam die Stadt wirtschaftete, geht schon daraus hervor, daß Herr Scholz als "Direktor" der städt. Werke nicht nur Gas, Wasser und Strom betreute und installierte, sondern auch den Verbrauch ablas. (Die Polen haben ihm schwer zugesetzt und ihn drei Mal an die Wand gestellt.)

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