Der Wald im Kreis Groß Wartenberg

Hans Heinrich von Korn

Wer ein solch allgemein gehaltenes Thema einigermaßen erschöpfend, fachlich richtig und gleichzeitig für den Laien interessant gestalten will, muß vom Leser einige Nachsicht erbitten. Aus meiner Tätigkeit als Forsteinrichter bei der Breslauer Landwirtschaftskammer und bei der Forstabteilung der Regierung ist mir bekannt, daß es keine amtlichen statistischen Angaben gab, die den Waldzustand kreisweise erfaßten. Genaue Angaben über Flächengrößen, Holzartenanteil, Bonitäten, Erträge usw. stehen somit nicht zur Verfügung. Es kommt hinzu, daß fast 40 Jahre seit dem Druck des letzten Schlesischen Güteradreßbuches vergangen sind. Fast 30 Jahre ist es her, daß wir die Heimat verlassen mußten; diejenigen Forstfachleute wie z.B. Landforstmeister Freitag als letzter Leiter der Forstabteilung bei der Landwirtschaftskammer Breslau - die den Wald im ganzen Kreis aus jahrzehntelanger Beratertätigkeit gut kannten, sind nicht mehr am Leben.
Man möge mir daher verzeihen, wenn ich in den nachstehenden Ausführungen die Begriffe "ca.", "ungefähr", "annähernd" usw. häufiger als erwünscht anwenden muß.

Als Einteilung ergibt sich für das Thema am besten folgendes von mir gewählte Schema:
1. Flächengrößen und Bewaldungsdichte
2. Besitzarten
3. Standort (Boden, Geländeausformung, Klima)
4. Holzartenanteil
5. Bonitäten und Bestandestypen
6. Einiges über Waldbau und Forsteinrichtung
7. Holzverwertung
8. Forstschäden
9. Wildvorkommen und Jagd

1. Flächen: Das Schlesische Güteradreßbuch von 1937 nennt eine "Waldfläche" von rund 133 qkm, das sind 13 300 ha. Diese Angaben sind nicht präzise zu erfassen, a) weil der kleine Bauernwald überhaupt nicht aufgeführt ist b) weil bei den einzelnen Gutsbetrieben für die ha-Angaben teils die Begriffe "Forst", teils "Holz" verwendet sind. "Holzbodenfläche" ist die tatsächlich bestockte Forstfläche, während bei dem weitesten Begriff "Wald" und bei der Bezeichnung "Forst" u.a. enthalten sein können: Förster-Dienstland, Holzabfuhrwege, z.T. kilometerlange und breite Alleen, Wiesen, Kies- und Sandgruben, Wildacker- und Wildremisen, Unland- und ödlandflächen, Teiche u.a.m. Nur so dürfte es sich erklären, daß die Addition der als "Holz" im Güteradreßbuch angegebenen Flächen jedes Waldbesitzes rund 500 ha unter der angeblichen Gesamtfläche (13 300 ha) liegt. Da diese Differenz nur etwa 4 Prozent ausmacht, dürfte sie für die Betrachtung der forstpolitischen und strukturellen Eigenart der Waldbesitzverteilung im Kreis Groß Wartenberg ziemlich belanglos sein. Ob und in welchem Umfang Klein-Bauernwald vorhanden war, konnte ich nicht feststellen. Aus der Mitteilung eines Waldbesitzers entnahm ich aber, daß z.B. Schleise allein ca. 60 ha Bauernwald besaß. Mithin kann man wohl von der Annahme ausgehen, daß es noch mehr Flächen dieser Besitzart gegeben hat, die zwar im einzelnen nur minimale Größen aufwiesen und keine nachhaltige Forstwirtschaft zuließen (sogenannte "Aussetzende Betriebe"), in ihrer Summe jedoch einigermaßen ins Gewicht fielen, um die nicht erfaßte Gesamtflächengröße laut Güteradreßbuch aufzufüllen.
Bei einer Einwohnerzahl von rund 27 600 beträgt die Waldfläche fast 0,5 ha je Kopf der Bevölkerung, gegenüber dem damaligen Reichsdurchschnitt von nur 0,2 ha. Rund 30 Prozent der gesamten Kreisfläche bestanden aus Wald. Die relativ hohe Bewaldungsdichte ist ein Indikator für eine geringe Besiedlungsdichte (wenig Industrie) sowie für einen Boden, der bei landwirtschaftlicher Nutzung weniger Ertrag bringt als bei forstlicher Nutzung. Im Reich hatten wir 1938 rund 27 Prozent der Gesamtfläche an Wald. Forstbetriebe sind nun einmal wenig arbeitsintensiv, und um einen Waldeigentümer zu ernähren, bedarf es in Anbetracht der geringen Rendite (man rechnete mit einer durchschnittlichen Rendite von 2 bis höchstens 3 Prozent in ganz Deutschland) einer verhältnismäßig großen Betriebsfläche - je nach Holzart, Bonität und Absatzlage mindestens 150 bis 200 ha.

2. Besitzarten: Der Wald im Kreis Groß Wartenberg gehörte, wie es für ostdeutsche Verhältnisse weitgehend typisch war, zum größeren und mittleren Grundbesitz. Staatsforst ("Forstfiskalischer Besitz") gab es in unserem Kreis nicht. Der sogenannte Kleinbauernwald dürfte anteilmäßig nur eine sehr geringe Rolle gespielt haben und bildete nur im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb eine Existenzgrundlage. Dennoch darf der Wert solcher kleinen Bauernwälder insofern nicht unterschätzt werden, als sie als Sparkasse dienen konnten; sie wurden unangerührt gelassen und z. B. nur bei Erbauseinandersetzungen, für die Ausstattung einer Tochter oder bei ähnlichem plötzlich auftretendem Kapitalbedarf genutzt.
Genossenschaftswald (mit ideellen Anteilen der Eigentümer) gab es meines Wissens im Kreisgebiet nicht. Als "Nichtgutswald" im eigentlichen Sinne wären nur zu erwähnen: 1. der Forst Grenzhammer mit 625 ha (Eigentum laut Güteradreßbuch die Domkirche ad, S. Johannum in Breslau), 2. die Forsten Bischdorf und Kraschen mit 10 bzw. 15 ha; dies waren ehemalige Gutswälder, die im Zuge der Aufsiedlung dieser Güter von der Schlesischen Landgesellschaft in vorläufiges Eigentum übernommen waren, 3. der Gemeindewald der Stadt Groß Wartenberg mit 365 ha, 4. der der Preußischen Domänenverwaltung unterstehende kleine Wald (Staatswald) von 5 ha in Klein-Ulbersdorf.
Die Gutsforsten waren fast durchweg über 100 ha groß, z. T. auch mehrere 100 ha. Die Freien Standesherrschaften Goschütz und Groß Wartenberg hatten Flächengrößen von rund 5000 und knapp 3000 ha; der Schutzforst Rudelsdorf war rund 1100 ha groß. Alle anderen Forstbetriebe lagen mit ihrer Flächengröße unter 1000 ha. Man kann also im Sinne einer rationellen Holzzucht von einer günstigen Größenstruktur der Wälder im Kreis Groß Wartenberg sprechen.
Vor 1918 gehörten zum Kreis Groß Wartenberg noch weitere rund 4800 ha Wald, die zur Standesherrschaft Groß Wartenberg (Bralin) sowie 3000 bis 4000 ha Wald(Die genaue Größe ist mir leider nicht bekannt, könnte aber aus dem Güteradreßbuch von 1914 entnommen werden.), die zur Herrschaft Moja Wola bei Neumittelwalde und Suschen gehörten; es waren die Förstereien Kenchen, Kenchenhammer, Pawelau und Teile von Granowe. Diese gesamten 8000 bis 9000 ha fielen nach dem Efsten Weltkrieg an Polen. Das Bewaldungsprozent auf die Gesamtfläche bezogen wie auch je Kopf der Bevölkerung war also vorher wesentlich höher als nach dem Krieg.

3. Standort: Die Waldböden - ausschlaggebender Teil des Sammelbegriffes Standort - bestanden durchweg aus mehr oder weniger silikatreichen diluvialen Sanden, wechselnd zwischen sehr leichten, grundwasserfernen und fast lehmfreien Böden (bestockt mit, Kiefer IV/V. Bonität, Birken, Aspen pp.) einerseits und nährstoffreichen, anlehmigen bis lehmigen, humosen Böden. Diese letzteren Böden, die auch infolge ihres Feinsandgehaltes (geringere Korngröße) eine bessere Wasserkapazität aufwiesen, weniger wasserdurchlässig waren und einen höheren Grundwasserstand besaßen, lagen vorwiegend im NW des Kreises. Die Geländeausformung im Kreis Groß Wartenberg war, entsprechend ihrem glazialen Ursprung, wellig bis hügelig und durch das Vorhandensein mehr oder weniger großer Teichgebiete charakterisiert. (Herrschaft Goschütz rund 700 ha, Herrschaft Groß Wartenberg rund 120 ha, Schollendorf rund 30 ha Teiche, mit größtenteils intensiver Karpfenzucht). Am Rande der hügeligen Grund- und Endmoränengebiete waren die günstigsten forstlichen Wuchsverhältnisse vorzufinden. Wenn auch der Lehm z. T. in großer Tiefe lag, so drangen doch die Kiefern und Lärchen mit ihren Wurzeln bis in diese Tiefen vor. In der Jugend hatten sich die Stämme infolge des kargeren Bodens durch einen feinen Jahrringbau ausgezeichnet, der sich aber relativ gleichbleibend bis ins hohe Alter erhielt (und nicht plötzlich nachließ), so daß die Holzqualität der genannten Holzarten ganz hervorragend und für Tischlereien sehr geeignet war.
Die Höhe über NN schwankte im Kreisgebiet zwischen 272 m (Korsarenberg) südwestlich Neumittelwalde und 96 bis 100 m in den tiefsten Lagen. Das Klima kann bereits als Kontinentalklima bezeichnet werden mit warmen und trockenen Sommern (häufig Frühjahrsdürre im Mai) und langen, schneereichen und kalten Wintern. - Die durchschnittliche Niederschlagsmenge betrug etwa 500 mm pro Jahr; in solchen Jahren wie 1911 und 1921 waren es aber kaum 350 mm.

4. Holzartenanteil: Man wird, mangels genauer Unterlagen, von etwa folgenden Holzartenanteilen ausgehen können, mit einer Fehlertoleranz von kaum mehr als zwei Prozent nach oben und unten für die Hauptholzarten: Eiche (überwiegend Traubeneiche) 2 Prozent, Rotbuche 1 Prozent, sonstige Laubhölzer wie Hainbuche, Roterle, Esche zusammen 1 Prozent, Kiefer und Lärche 93 Prozent, Fichte 2 Prozent, Douglasie, Edeltanne, Weymouthskiefer und sonstige Nadelhölzer 1 Prozent.

5. Bonitäten und Bestandestypen: Die Durchschnitts-Höhenbonitäten dürften betragen haben: Bei Eiche II/III, Buche III/IV, sonstige Laubhölzer II/III, Kiefer und Lärche III/II, Fichte II/III. Bei diesen Schätzungen sind die Holzarten sowohl bezüglich des Anteiles als auch bezüglich der Bonität nur insoweit bewertet, als sie bestandesbildend, also Hauptholzart waren. Die ideellen Anteile der Mischholzarten, sei es im Unter- oder im Zwischenstand, sind nicht berücksichtigt. So ist z. B. der oft erhebliche Anteil an Fichte unter
Abb. 109
Bauernwald bei Klenowe (später Hirschrode)
Kiefer (meist aus Mischsaat oder Mischpflanzung hervorgegangen) ebensowenig mit herangezogen wie der oft beträchtliche Anteil an unterständigen Eichen unter Kiefern (aus Hähersaat entstanden). - Die Bestockungsgrade als Durchschnittswerte für das ganze Kreisgebiet zu schätzen, ist zwar gewagt. Jedoch kann man auf Grund der pfleglichen Behandlung der Bestände und der Art der vorsichtigen konservativen Nutzung davon ausgehen, daß alle über 40 Jahre alten Bestände einen Bestockungsgrad von etwa 0,85 aufwiesen. Die 40 bis 80 Jahre alten Kieferbestände waren vielfach vollgeschlossen (Bestockungsgrad 1,0 und darüber), während bei den über 100- und insbesondere über 120jährigen Bestände die Bestockung 0,7 bis 0,8 der Ertragstafelmasse betrug. Wenn ich es wagen konnte, mit einiger Treffsicherheit die Durchschnittsbonitäten und Bestockungsgrade für die einzelnen Holzarten oder Betriebsklassen zu beziffern, so würde die an sich für die Beurteilung eines Forstbetriebes wesentliche Angabe oder Schätzung des sogenannten Flächendurchschnittsalters für einzelne Holzarten oder Betriebsklassen nur auf groben Spekulationen beruhen und muß daher unterbleiben.

Es gibt eine Schrift von Prof. Dr. Schube, Breslau. Er war meines Wissens Lehrer und fuhr mit einem Fahrrad aus Großväters Zeiten durch die schlesischen Lande, um Dendrologische Besonderheiten zu suchen und zu katalogisieren. Es wäre unrecht, wollte man des freundlichen alten Herrn in diesem Bericht nicht gedenken - eines Mannes, der mit großem Idealismus, viel Sachkenntnis und starker Liebe zu seiner schlesischen Heimat noch im fortgeschrittenen Alter die Strapazen des Radelns durch die Lande auf sich nahm. Seine Schrift, aus der ich den unseren Heimatkreis betreffenden Abschnitt nachstehend wörtlich zitieren möchte, hieß "Nadelhölzer im Kalendergebiet als Naturdenkmäler". "Hervorragendes ist auch dem Kreis Groß Wartenberg verblieben... Die Axt hat manches vorzeitige Opfer gefordert, so z. B. die "Herzogskiefer" an der Heerstraße zwischen Goschütz und Brustawe (bei Stein 27,1); der Prachtbaum am Südrand des Dominialfeldes von Grunwitz war wohl überständig geworden. Ein Renommierstück erhebt sich nahe dem Südeingang des Goschützer Parkes; etwa ein Dutzend Kiefern mit einem Umfang von 2 1/2 bis 3 1/2 m begleiten den Weg von da zur ehemaligen Oberförsterei. Mehrere ihnen noch überlegene (der stärkste Baum [Kiefer] ist mit 4,60 m wohl der umfangreichste aller schlesischen!) umsäumen den Südrand des Jagens 41 vom Kunzendorfer Walde. Fast 3 m Umfang kommen auch einer Kiefer des Rudelsdorfer Waldes (Jagen 38, am Nordende des Weges, an seinem Ostrand) zu. Lange Zeit entgangen waren mir die 3 Riesenstämme (der stärkste hat 3 3/4 m Umfang!) auf dem Kirchhof von Groß-Woitsdorf, obgleich ich oft genug die dortige Straße von Gahle aus benutzt hatte, dessen Forsthaus mir wiederholt Erholung von geistiger überanstrengung gewährt hat. "



6. Einiges über Waldbau und Forsteinrichtung: Um die Forstwirtschaft des Kreises Groß Wartenberg in etwa zu charakterisieren, kann man sagen, daß in den mittleren bis größten Forstbetrieben im besten Sinne konservativ gewirtschaftet wurde. Die Waldbesitzer investierten nicht geringe Beträge zur Verbesserung ihrer Wälder auf ökologischem und waldbaulichem Gebiet. Ferner wurde bei Aufstellung der Betriebswerke (meist in 20jährigem Turnus) sehr vorsichtig zu Werke gegangen, und zwar nicht nur zu dem Zweck, einen niedrigen Ertrags- bzw. Einheitswert aus steuerlichen Gründen festzusetzen, sondern mit der Absicht, den Wald ständig in seinem Wert zu steigern - sowohl bezüglich der Struktur, der verbleibenden Holzmasse als auch der Qualität. Die Bonitäten, die Bestockungsgrade, der Zuwachs, der Abnutzungssatz wurden mit einem gewissen Sicherheitsfaktor berechnet bzw. geschätzt. Es wäre unglaubwürdig zu behaupten, daß solche Wirtschaftsgrundsätze nur im Kreis Groß Wartenberg bestanden. Es sind mir aber nicht nur in Schlesien, sondern auch in anderen preußischen Provinzen genügend Gebiete und Privatwaldbesitze bekannt, die das äußerste aus ihrem Wald herausholten und nicht auf weite Zukunft hin wirtschafteten - wie das ja im Forstbetrieb eine unerläßliche Maxime ist. Im Kreis Groß Wartenberg waren es gerade die größten Forstbetriebe, die Altholzreserven schufen, im zunehmendem Maße ihr Augenmerk auf Pflegehiebe in den jüngeren Altersklassen lenkten, einen angemessenen Oberhalt von Kiefern und auch Lärchen über Kahlschlägen beließen und durch intensivere Durchforstung der Lichtholzarten in den mittleren Altersklassen auf Verstärkung des Massen- und Qualitätszuwachses hinwirkten. Man bemühte sich, den Biotop günstig zu verändern und begann mit dem Mitanbau, Voranbau oder Unterbau der reinen Kieferbestände mit Buche, Douglasie, Tanne und Weymouthskiefer. Auf weite Sicht hätte sich diese Maßnahme mit Sicherheit günstig ausgewirkt; die auf riesigen Flächen vielerorts vorhandenen reinen Kiefernbestände, unter denen der Boden fast nur mit Blaubeer bewachsen war, hätten allein durch die - infolge der Mischhölzer hervorgerufene Windruhe - wesentlich an Zuwachs und Qualität gewonnen und die obere Bodenschicht wäre weniger der Aushagerung ausgesetzt gewesen. Speziell unsere heimatliche Hauptholzart Kiefer verträgt es schlecht, wenn sie keine "untere Etage" in Gestalt von Mischhölzern hat. Der vom durchwehenden Wind erfolgende Kohlensäureabtransport bedingt in mehr oder minder starkem Maße eine Wuchsstockung der Kiefer besonders in ihrem jüngeren Alter.
Die besagten Unterbauten usw. waren recht kostspielig, allein schon wegen des unvermeidlichen Gatters, welches wegen des drohenden Wildverbisses angebracht und unterhalten werden mußte. So wurde allenthalben von einem Waldbesitzer Verzicht auf einen Teil der ohnehin geringen Verzinsung geleistet (vorbildlich Herrschaft Goschütz). Die vorsichtig angesetzten Erträge und Massen in den Betriebswerken halfen zwar zu einer relativ niedrigen Festsetzung des Einheitswertes am letzten Einheitswert-Festsetzungstermin vor dem Krieg (1.1.1935), brachten aber letzten Endes dem Waldbesitzer einen nennenswerten Nachteil bei der Bemessung des Lastenausgleichs nach der Vertreibung. Mir sind da Unterschiede zuungunsten des Waldbesitzers von 20 bis 30 Prozent bekannt.
Die Betriebswerke, die von der Landwirtschaftskammer im Einvernehmen mit dem Waldbesitzer erstellt wurden, setzten z.B. mancherorts einen Abnutzungssatz von etwa 2,8 Ernte-Festmetern fest, während man eine nachhaltige Nutzung von 3,5 bis 4,0 fm und darüber hätte ansetzen können.
Wirtschaftsformen und waldbauliche Methoden, die in den Jahren um 1920 und danach aufkamen, haben auch in einigen Revieren des Kreises Groß Wartenberg Schaden angerichtet. Ich denke besonders an die Einführung des "Dauerwald"-Gedankens in unser Gebiet. Er wurde "Mode" und sogar von beratenden hohen und höchsten Forstbeamten empfohlen. Man erkannte zu spät das "Eiserne Gesetz des örtlichen", d.h. die Tatsache, daß Maßnahmen, die vielleicht in der Mark Brandenburg oder in Anhalt eine gewisse wirtschaftliche Berechtigung hatten, in unserem Gebiet nicht nur nicht förderlich für den Wald waren, sondern demjenigen Waldbesitzer, der mit zu geringer Vorsicht diese Maßnahmen für seinen Wald anwandte, nachhaltigen Schaden brachten. Es wurden "Verjüngungsschneisen" und Säume in der Breite einer Baumlänge (also ca. 30 m) in die besten Kiefern-Althölzer eingelegt, um eine saumweise Verjüngung zu erzielen. Oder diese Althölzer wurden übermäßig stark durchforstet, um die Kiefern unter Schirm zu verjüngen. Diese unter geringem Schattendruck schlecht und recht heranwachsenden Kiefern sollten "die edle Form der Halbschattenkiefer" erzeugen mit einem für die spätere Holzverwertung wertvollen möglichst engem Jahresringbau. Ergebnis: Umfangreiche, vergraste Flächen, deren Wiederaufforstung kostspielig und schwierig war. Denn eine Kiefern-Naturverjüngung war, sei es aus klimatischen oder Standortgründen in unserem Gebiet praktisch nicht möglich, zum mindesten nicht auf wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Flächengrößen.
Die konservative, d. h. holzmasseerhaltende Art der Bewirtschaftung, hat speziell auch im Kreisgebiet ermöglicht, die außerordentliche Menge an Nutzholz jeder Art während des Krieges zur Erfüllung der behördlich auferlegten Umlagen zu erfüllen. Man kann also nicht sagen, die Waldbesitzer hätten nur zur persönlichen Vermögensbildung so vorsichtig gewirtschaftet und Holzvorräte zum privaten Nutzen angesammelt; vielmehr beherrscht jeden Forstmann und Waldbesitzer unbewußt das Prinzip, für das Wohl der Familie des Landes und des Volkes rationell und weitschauend zu wirtschaften. Gerade die Zurückhaltung der meisten Großwaldbesitzer bezüglich der Ernte der ältesten Altersklassen ergab einen hohen Vorrat an überaus wertvollem Kiefernschneideholz aus Stämmen, die z. T. 180 Jahre und älter waren! Sie wurden dann später für alle möglichen Zwecke in der Rüstung und Kriegswirtschaft dringend gesucht.
Um die Jahrhundertwende war eine andere Modekrankheit in unserer schlichten und anspruchslosen Kiefernwirtschaft akut geworden: Man pflanzte entweder reihenweise oder gruppenweise Bankskiefern zwischen die einheimischen gewöhnlichen Kiefern. Es war von irgendwoher in Literatur und Vorträgen die Weisheit verkündet worden, daß man den überall zunehmenden Schälschäden durch Rotwild durch Anbau von Bankskiefern wirksam begegnen könne, weil das Rotwild die Bankskiefern angeblich besonders gern schält und dafür die einheimische Kiefer "ungeschoren" läßt. Was trat ein? Das Rotwild stellte sich in allen Dickungen, die Bankskiefern enthielten, besonders gern und dauerhaft ein und schälte nicht nur diese, sondern die rundum stehenden gewöhnlichen Kiefern genauso intensiv. Abgesehen davon, daß die Bankskiefer nie nutzholztaugliche starke Stämme liefert und ohnehin im Stangenholzalter hätte herausgehauen werden müssen, wurde der vermeintliche Schutzanbau dieser Holzart zur Vermeidung von Schälschäden bei den gewöhnlichen Kiefern zur Katastrophe, zum mindesten auf mehr oder weniger großen Teilflächen. Mehrere Hektar große Flächen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren mußten abgetrieben werden, mitten heraus aus geschlossenen Dickungen bzw. angehenden Stangenhölzern. Denn die übermäßig geschälten Kiefern starben zum großen Teil ab und bildeten eine ständige Gefahr, weil durch den starken Harzfluß Schadinsekte angelockt wurden.
Die Kiefer wurde im allgemeinen auf Hackstreifen von ca. 40 cm Breite durch Saat oder Pflanzung eingebracht. Saat etwa 2 1/2 kg je ha, Pflanzung im Reihenabstand von 1,3 m und einem Abstand innerhalb der Reihe von "drei Stück je laufender Meter". Viele Waldbesitzer pflanzten oder säten Fichte dazwischen und erzielten damit, wenn der Boden frisch genug war, massenreiche Bestände. Eine Unsitte, die nicht auszurotten war (und z. T. auch heute noch in Westdeutschland anzutreffen ist), war die Einbringung von Lärchen aus wertvollem Saatgut in Einzelmischung. Das Schicksal dieser Lärchen war überall das gleiche: Sie wurden von den Kiefern bzw. Fichten schon im Dickungsalter, spätestens im Stangenholzalter erdrückt. Es blieb nur ein kläglicher Rest von noch nicht 1 Prozent der eingebrachten Pflanzen: Dünne kränkelnde Stämme mit kurzer Krone und sehr geringem Durchmesser. Wo dagegen die Lärchen in Gruppen oder Horsten, möglichst mit Buche, in die Kiefernbestände eingemischt wurden bzw. worden waren, ergab dies hervorragende Waldbilder und hohe Erträge. Ich habe selbst mit dem Höhenmesser Lärchen, die natürlich auch auf einem ihnen zusagenden Standort früher einmal eingebracht waren, von 42 m Höhe gemessen.
Bemerkenswert ist das Vorkommen der Edeltanne in Kreis Groß Wartenberg, weil diese, ebenso wie die Rotbuche, östlich von Breslau außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes steht. Besonders zu erwähnen sind hierbei zwei Vorkommen (es mögen ihrer noch mehr gewesen sein, jedoch sind mir andere nicht bekannt): Das eine ein über 60 ha großer, ca. 100jähriger Mischbestand in der Försterei Distelwitz (Standesherrschaft Groß Wartenberg) aus 50 Prozent Kiefer, 30 Prozent Fichte und 20 Prozent Weißtanne. Bei einem Bestockungsgrad von 0,8 des ganzen Bestandes ragten die Tannen mit optimalen Stammformen weit sichtbar mit fast 30 Meter Höhe heraus und begannen auch, sich stellenweise natürlich zu verjüngen. Ein ähnlich schönes Bild - allerdings auf nur etwa 3 bis 4 ha - boten die 130jährigen, über 30 Meter hohen starken Tannen im Forst Rudelsdorf, Jagen 10. Dort waren die Tannen einzeln und gruppenweise gemischt mit gleichalten Fichten und älteren grobastigen Eichen, gruppen- und horstweise unterstellt von ein- bis 30jähriger Tannenverjüngung.

7. Holzverwertung: Die Bedeutung des Waldes im Kreis Groß Wartenberg wird gekennzeichnet durch das Vorhandensein mehrerer Sägewerke und mittelgroßer Möbelfabriken in Festenberg und einiger kleiner Sägewerke von Waldbesitzern (z. B. Standesherrschaft Groß Wartenberg mit einem Einschnitt von rund 6000 fm jährlich). Im übrigen wirkte sich die meist recht weite Abfuhr der verkauften Stammhölzer zum nächsten Bahnhof mindernd auf den Erlös aus. Ein großer Teil des Stammholzes wurde in manchen Forsten des Kreises im Wege der Submission auf dem Stamm, also vor dem Einschlag, verkauft - eine Methode, die sich gut eingespielt hatte und für Käufer und Verkäufer wenig Risiko bot. - Etwa 1907 hatte die Nonne, einer der schlimmsten Forstschädlinge, große Flächen im Kreis kahlgefressen; es waren wohl mehrere 100 ha. Der Markt war nicht aufnahmefähig für die erheblichen Mengen, vor allem an schwachen und geringwertigen Hölzern. Besonders erinnerlich ist mir noch die Aufarbeitung solcher Hölzer auf einer großen Kahlfläche im Nachbarforst D. Damals wurde noch ein nennenswerter Teil des Holzes im Köhlereibetrieb an Ort und Stelle zu Holzkohle.verarbeitet. Die großen Kohlenmeiler und die rußgeschwärzten Köhler machten wegen ihres ungewohnten Aussehens besonderen Eindruck.

8. Forstschäden: Glücklicherweise sind die Forsten des Kreises, abgesehen von dem Nonnenfraß zu Beginn des Jahrhunderts und einigen auch größeren Waldbränden, von Schäden aller Art im letzten Jahrhundert verschont geblieben. Man war aber auch in jeder Hinsicht darauf bedacht, durch alle erdenklichen Maßnahmen etwaigen Schäden vorzubeugen. So wurde z. B. noch bis in die Zeit um 1920 hinein jede Kiefernkultur mit einem etwa 25 cm tiefen und 15 cm breiten Graben umgeben, dessen Ränder möglichst senkrecht abgestochen waren; in gewissen Abständen waren dann noch innerhalb dieser kleinen Gräben ebenfalls senkrecht abgestochene, ca. 20 cm tiefe Fallgruben angelegt. Darin sammelten sich alle Jahre die gefährlichen "Großen braunen Rüsselkäfer" (Hylobius abietis) und wurden regelmäßig von Frauen in der Zeit, in der die Käfer schwärmten, gesammelt. Es mag geholfen haben, aber als es später unter Zuhilfenahme chemischer Mittel andere Fangmethoden gab, konnte man den Käfer wirksamer und vor allem mit weniger Arbeit (Lohn) bekämpfen. Außerdem hatte man zur Zeit unserer Väter vielleicht zu wenig bedacht, daß die Käfer schließlich Flügel haben, mit deren Hilfe sie weite Strecken, nicht nur über die kleinen Gräben hinwegfliegen konnten! Aber es war eben Tradition, solche Gräben zu ziehen und niemandem wurde das Recht einer Kritik zugestanden.
Dieser Abschnitt ist "Forstschäden" überschrieben; man kann die Waldverhältnisse eines Gebietes nicht beschreiben, ohne auf die Faktoren einzugehen, die unter Umständen das gesamte Waldgefüge, die Rentabilität, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Waldes für lange Zeit stören oder sogar vernichten. Die Schäden, die das Rotwild auch in unserem Kreisgebiet vor allem in den großen geschlossenen Forsten der Mitte und des Westens durch Schälen und Verbeißen anrichtete, gehen, wie überall in den Rotwildgebieten, in die Hunderttausende Mark. Ich will damit nicht den Streit heraufbeschwören, der gerade in letzter Zeit über dieses Thema aus mehr oder weniger berufener Feder immer wieder geführt wird, würde aber eine unberechtigte Unterlassung begehen, wollte ich die Schäden unerwähnt lassen. Die Waldbesitzer ließen nichts unversucht, diese Schäden zu mindern (s. o. betr. Anbau der Bankskiefer). Kulturen wurden eingegattert, der Abschuß an weiblichem Rotwild wurde systematisch durchgeführt mit dem Ziel, nicht nur den Zuwachs zu "ernten", sondern die Stückzahl zu mindern. Schälschutzmittel, die man heute vielfach mit einigem Erfolg anwendet, kannte man zur damaligen Zeit noch nicht. Niemand wird es heute nachträglich einem Waldbesitzer verübeln, wenn er das Opfer der Einzäunungskosten und die gegendweise schlimmen Schälschäden in den jungen Kiefernorten auf sich nahm, anstatt das Rotwild in seinem Revier total zu "vernichten". Ein noch so fleißiger Abschuß hätte, infolge der Zuwanderung aus Nachbargebieten, ohnehin den Rotwildbestand niemals auf Null reduzieren können. Der historischen Ehrlichkeit bin ich es jedoch schuldig, zu bemerken, daß die Schälschäden in den zukunftsreichen Kiefernbeständen als wesentlichen Wirtschaftsfaktor in negativem Sinne wirksam waren. Und wer seine Kulturgatter nicht sehr stabil, nicht hoch genug und nicht auf eine Haltbarkeit von mindestens 10 Jahren baute, riskierte, im extremen Fall eine Kultur wiederholen zu müssen, weil sie radikal verbissen war. - Die Kiefernschütte bildete ohnehin in vielen Kulturen bei entsprechend förderlicher Witterung die Gefahr einer Dezimierung der Pflanzen und Entwertung des Bestandes. Wer jedoch genügend acht gab, konnte durch Spritzung der Kulturen den Schüttepilz rechtzeitig erfolgreich chemisch bekämpfen bzw. prophylaktisch den Schaden weitgehend verhindern.

9. Wildvorkommen und Jagd: Die Jagd und das Wild stehen in engem Zusammenhang mit dem Wald, und es wäre wohl eine Unterlassung, wenn bei einer Erzählung über den Wald im Kreis Groß Wartenberg nicht auch einiges über die Jagd gesagt würde. Kurz nach dem Krieg wurde (etwa 1920) von einem nichtsahnenden Hilfsförster in Rudelsdorf ein Seeadler von 2,30 m Flügelspanne erlegt. Mein Vater schoß am 11. Oktober 1924 in Rudelsdorf bei einer Drückjagd einen starken Wolfsrüden. Es war uns aufgefallen, daß die Brunft in diesem Jahr durchaus anomal verlief; das Wild trat erst sehr spät in der Nacht aus und die Hirsche schrien selten oder gar nicht. Ein zweiter in dem Treiben vorkommender Wolf - wahrscheinlich eine Wölfin wurde von einem Forstbeamten verpaßt (weil er sich gerade eine Zigarette anzündete!) und ging durch die Lappen. Lappjagden waren damals noch erlaubt und wurden in allerdings seltenen Fällen, auch in unserer Gegend noch durchgeführt.
Der letzte Wolf im Kreisgebiet und auch in Schlesien wurde wenige Tage vor der Vertreibung (Mitte Januar 1945) an der Reviergrenze Rudelsdorf-Briese-Schönwald, meines Wissens in der Försterei Schönwald (Herrschaft Goschütz) von einem jungen Privatförster gestreckt. Man hatte den Wolf im Schnee gespürt und kurzfristig ein Treiben angesetzt. - Birkwild und Schwarzstörche sind in den letzten Jahrzehnten so gut wie vollständig aus unserem Kreisgebiet verschwunden.
Abb. 110
Dr. J. Barbarino mit einem schönen Bock (1940)

Das Birkwild liebt keine "geordnete" Forstwirtschaft, die alles bis zur letzten Kahl- oder ödlandfläche kultiviert. Dieses Wild gehört ebenso wie das Auerwild, die Bekassinen, die Wachteln und manches andere zu den sogenannten Kulturflüchtern. An Schwarzstörchen fanden sich allerdings in den letzten Jahren erfreulicherweise wieder einige Brutpaare im Gebiet der Herrschaft Goschütz ein. Die letzten Wachteln habe ich kurz nach dem Ersten Weltkrieg auf der Hühnerjagd gesehen. - Die im Westen fast unbekannte Blauracke (Mandelkrähe) brütete im Kreisgebiet ebenso wie der seltenere Wiedehopf. Den Tannenhäher sah man gelegentlich im Herbst und Winter. In den Teichgebieten kamen, mehr als den Karpfenzüchtern erwünscht, Fischreiher und Fischottern vor. Schließlich die im westlichen Deutschland fast unbekannte Nebel- oder Graukrähe; sie trat im Kreisgebiet in zeitweise erheblicher Stückzahl auf und mußte dort, wo man auf Fasane und Rebhühner Wert legte, ebenso fleißig bejagt werden wie die Elster. - An seltenen Greifvögeln ist mir in seltenen Fällen der Schreiadler im Kreisgebiet begegnet; er ist etwa ebenso groß wie der Mäusebussard, für den kundigen Beobachter im Flugbild leicht an den gespreizten typischen Adlerschwingen zu erkennen. - Um eine schon in der nächsten Generation vergessene, weil seit Jahrzehnten verbotene Jagdart zu erwähnen, sei der Fang der Krammetsvögel (meist Wacholderdrosseln) im Herbst hier erwähnt. Diese armen Tiere wurden in den sogenannten Dohnenstiegen gefangen und als Delikatesse in gebratenem Zustand oder in Form von Pastete verzehrt.

Nach diesen Absonderlichkeiten sei mit wenigen Worten der allgemeinen Jagdverhältnisse gedacht: Der Rot- und Schwarzwildbestand war mäßig. Als Anhalt für die Beurteilung des Hochwildes in bezug auf Gesundheit und Trophäenstärke dienen u. a. die Wildpretgewichte: Ein Rotwildkalb wog im Dezember zwischen 30 und 35 kg, ein Schmaltier 45 bis 55 kg, ein Alttier bis zu 75 kg. Die Gewichte der älteren Hirsche schwankten zwischen 120 und 150 kg. (Diese Gewichtsangaben gelten für aufgebrochenes Wild, mit Haupt.) Die stärksten Sauen erreichten ein Gewicht von 120 bis 130 kg. Ein Hirsch gehörte zu den starken jagdbaren, wenn er ein Geweihgewicht von 5 1/2 bis 6 1/2 kg aufwies. Der Hirsch mit dem höchsten mir bekannten Geweihgewicht - wahrscheinlich seit 100 oder mehr Jahren im Kreisgebiet - wurde im Herbst 1944 von Forstverwalter Urban in Rudelsdorf erlegt: Das Geweihgewicht des alten Vierzehnenders betrug frisch über 7 1/2 kg. Der Rehbestand war im allgemeinen zu hoch; das Geschlechtsverhältnis war ungünstig, d. h. es gab zu viel Ricken. Damit ist von Fachleuten der von Jahr zu Jahr abnehmende Bestand an wirklich starken oder gar kapitalen Böcken zu erklären. Es ist kein Zufall, daß - nicht nur in unserem Kreisgebiet - die besten Gehörne aus der Zeit stammten, als man noch (was später verpönt und gesetzlich verboten war) auf den Hasen- und Fasanenjagden Ricken mit Schrot schoß. Auf den großen Gutsjagden waren Tagesstrecken von 800 bis 1000 Stück Wild (Fasane, Hasen, Kaninchen, Füchse) keine Seltenheit. Es kamen sogar Tagesstrecken von über 1200 Stück vor, und zwar nicht nur auf Feld- und Remisenjagden, sondern auf Jagden, bei denen Althölzer in Form von km-langen Streifen (ohne vorstehende Schützen) durchkämmt wurden. Sechs bis zehn Schützen nahmen an diesen Jagden teil. - Die guten Strecken, trotz des nicht ausgesprochen warmen oder kalkreichen Bodens (wie z. B. in der Gegend südlich Breslau oder bei Brieg), waren nur möglich durch
Abb. 111
Blick vom Korsarenberg in Richtung Neumittelwalde umgeben von ausgedehnten Waldgebieten
intensive Hege und Fütterung, Bekämpfung des Raubzeuges sowie dadurch, daß im allgemeinen zwischen den eigentlichen Treibjagden keine Hasen oder Fasane vor dem Hund auf Einzeljagd "für die Küche" geschossen wurden. Man legte im übrigen Wert auf Einhaltung der waidmännischen Bräuche und schoß in jeder Hinsicht diszipliniert. Ich habe auf keiner Jagd im Kreis Groß Wartenberg erlebt, daß ein Treiber oder Schütze durch leichtsinnig abgegebene Schüsse ernstlich verletzt worden ist. - Am Abend wurde vor dem Gutshaus die Strecke gelegt und verblasen. Dies sind Erinnerungen an Erlebnisse, die einem immer im Gedächtnis bleiben werden, wenn man das Glück hatte, wie ich, seit 1915 in unserem Heimatkreis und natürlich auch in vielen anderen Gegenden Schlesien zu jagen.

Fast immer traf man auf den größeren Gesellschaftsjagden unseren allverehrten Landrat von Reinersdorff, der von 1915 bis zur Vertreibung die Geschicke des Kreises Groß Wartenberg geleitet hat. Er war nicht nur Jäger und hatte auf diese Weise weitgehend Kontakt mit den Kreisinsassen, sondern - selbst Waldbesitzer bekundete er sein Interesse auch für den Wald und setzte sich für dessen Unterhaltung und Förderung ein, wo auch immer sich für ihn Gelegenheit dazu bot.

Möge dieser bescheidene Beitrag zur Beschreibung der forstlichen Verhältnisse in unserem Heimatkreis allen denen, die den waldreichen Kreis noch kannten, zur Erinnerung dienen und denen, für die der Kreis Groß Wartenberg nur aus Erzählungen bekannt ist, eine Aufforderung sein, die alte Heimat zu besuchen.

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