Der Besitzanteil des Domkapitels von Breslau im Kreise Groß Wartenberg (1821-1945)

Von Alfons Pohl +

Das Domkapitel von Breslau hatte im Kreise Groß Wartenberg einen größeren Grundbesitz, der in den Akten des Domkapitels als "Kirchenhald" im Volksmund jener Gegend meist als "Domherrschaft" bezeichnet wurde.
über die Urentstehung dieses Grundbesitzes kursierte in der Bevölkerung folgende Legende, die mir einst der damals 93jährige Obieglo aus Tscheschenhammer erzählt hat. Nach dieser Legende hatten zwei benachbarte Großgrundbesitzer sehr häufig Streit, den in letzter Instanz König Wenzel von Böhmen zu schlichten bzw. zu entscheiden hatte. Da auf die Dauer dem König diese oft sich wiederholende Streitereien zu toll waren, entschloß er sich zu folgender Regelung: Er bestellte an einen Punkt in Gegend Tscheschenglashütte zwei Reiter. Dem einen gab er den Auftrag nach links in das Gebiet des einen Streitenden, dem zweiten Reiter gab er den Auftrag nach rechts in das Gebiet des anderen Streitenden zu reiten. Nach einer bestimmten Zeit sollten sich die Reiter wieder treffen. Alles Gelände, das die Reiter durch ihren Ritt abgrenzten und das je zur Hälfte den beiden streitenden Nachbarn gehört hat, nahm er ihnen ab, damit sie nie mehr nachbarliche Berührungspunkte hätten und dadurch keine Anlässe mehr zu Streitigkeiten.
Auf diese Weise ist das Gebiet mit den Gemarkungen: Tscheschen, Konradau, Ernstdorf, Teile von Wedelsdorf (genannt Smollok), Tscheschenhammer und Tscheschenglashütte entstanden. Das ganze Gebiet hat eine Größe von
2 250 ha davon waren
1 500 ha Wald
700 ha Ackerland
50 ha Teiche
Die Zahlen sind aus dem Gedächtnis aufgezeichnet, da Unterlagen darüber nicht mehr greifbar sind.
Wie dieses Gebiet in den Besitz des Domkapitels gekommen ist, darüber kursierten zwei Meinungen. Nach der einen hat s. Z. König Wenzel gleich das Gebiet, das er den Streitenden abgenommen hat, dem Domkapitel übertragen. Nach der anderen Meinung hat es ein späterer Besitzer, der gleichzeitig Domherr in Breslau war, bei seinem Tode dem Domkapitel vererbt.
Erzpriester Alfons Poinke, der seit etwa 1920 Pfarrer in Tscheschenhammer war (er stammte aus Tscheschen) hat eine kleine Broschüre über den Kirchenhald Tscheschen und Tscheschenhammer geschrieben, sie würde einen wertvollen Beitrag für die Geschichte dieses Gebietes geben. Leider ist diese Schrift nicht mehr auffindbar. Der Verfasser, Erzpriester Poinke ist etwa um 1955 in Tscheschenhammer gestorben. Im Jahre 1925 wurde das Rittergut Tscheschenhammer zur Neuverpachtung ausgeschrieben. Daraufhin meldete ich mich bei dem Prokurator der Güter, Domkapitular Prälat Lange in Breslau und bewarb mich als Pächter. Aus einer Zahl von 40 Bewerbern wurde mir der Zuschlag erteilt. Anfang Juli 1925 zog ich als Pächter in Tscheschenhammer ein. Das Gut hatte damals 172 ha Gesamtfläche. Mein Vorpächter war H. Baydel, der das Gut Tscheschen in Pacht hatte und von dort aus Tscheschenhammer seit etwa 1908 mitbewirtschaftete.

In dem Dorfe Tscheschen, das von allen anderen das wertvollste war, stand eine Kirche seit 800 Jahren. Mehrere gutsituierte Bauern hatten dort ihren Besitz. Der Domherrschaft gehörte das Gut, etwa 150 ha groß, die Försterei Tscheschenbrettmühle und eine Ziegelei. Pächter des Gutes war seit etwa 1890 H. Baydel. Das Gelände von Tscheschen war leicht hügelig. Die Bodenverhältnisse mittel bis gut. Lehmböden wechselten mit lehmigem Sand und Sand ab. Das meiste Feld war drainiert. Es wuchsen dort fast alle Feldfrüchte: Getreide, Kartoffeln, in geringem Umfange auch Zuckerrüben, Klee und Luzerne. Die dazu gehörigen Wiesen lagen in der Gemarkung Konradau - Ernstdorf. Im Jahre 1927 gab Baydel die Pacht auf. Da sich kein Nachfolger fand, wurde das Gut in Eigenverwaltung genommen, und ein Verwalter (Wichura, später Sturm genannt) eingesetzt. Als landwirtschaftlicher Berater wurde der Verfasser vom Domkapitel eingesetzt (damals Pächter von Tscheschenhammer). Um das Gut an die neuzeitlichen Wirtschaftsmethoden heranzuführen, mußten größere Betriebsaufwendungen gemacht werden. Die landwirtschaftlichen Erträge stiegen damit an, wenn auch der finanzielle Erfolg infolge der allgemeinen Lage in der Landwirtschaft damals nicht mit den fachlichen Bemühungen Schritt hielt. Nach einigen Jahren wurde das Gut an den Verwalter Wichura verpachtet, der in späteren Jahren gleichzeitig die Stellung des Forstsekretärs der Oberförsterei in Konradau versah.
Der Forstbezirk Tscheschen stand unter der Verwaltung der Försterei Tscheschenbrettmühle. Es war ein wertvoller Wald mit guten Beständen, da der Boden in dieser Gegend gut war. Außerdem befanden sich dort auch einige kleinere Teiche und vor allem ein Winterteich, in dem die für das nächste Jahr benötigten Besatzkarpfen überwintern konnten. Außerdem gab es einige Hälter, in denen die Karpfen nach dem Abfischen der vorhandenen Karpfenteiche von Anfang November bis zum Verkauf (Weihnachten und Neujahr - Silvesterkarpfen) gehalten wurden. Die Hälter sind sehr tiefe im Ausmaß aber kleine Teiche oder besser ausgedrückt, gefaßte Wasserlöcher, da man unter Teichen ja meist große Wasserflächen versteht. Langjähriger Revierförster war Czekalla, dem Förster Wichura, der Schwiegersohn von Czekalla folgte. Ein Sohn von Förster Czekalla ist als Forstmeister in Württemberg gestorben. Als Förster Wichura die Verwaltung des Gutes Tscheschen übernahm, wurde Georg Michalik sein Nachfolger. Er war forstwirtschaftlich gut vorgebildet und ist der Sohn des noch oft zu nennenden Oberförsters Michalik. Er hatte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues Betätigungsfeld in der Eifel in der Försterei Wintelhausen-Speichern, Kreis Wittlich gefunden.

In Konradau lag die Oberförsterei. Sie war in den Gebäuden eines früher dort bestandenen Gutshofes untergebracht und machte einen guten forstgerechten Eindruck. Dort war der Mittelpunkt der gesamten Verwaltung - in der Hauptsache der Forstverwaltung, aber ebenso auch der Teichwirtschaft und der Landwirtschaft, soweit diese nicht von den jeweiligen Pächtern selbst wahrgenommen wurde. In Konradau beginnt ein flaches Niederungsgebiet. Der Boden ist nur Sand, teilweise humoser Sand. Die Wasserläufe (kleinere und größere Gräben) haben ein sehr geringes Gefälle und neigen daher auch zu Teichbildungen. Größere Wiesenflächen, die oft überschwemmt werden, liegen zwischen Waldungen und landwirtschaftlichen Anbaugebieten. In diesem Gebiet, das sich von Konradau an Ernstdorf und Johannisdorf vorbei bis an die Grenze von Tscheschenhammer hinzog, wurden in den Jahren von 1926 bis 1930 sehr intensive und umfangreiche Verbesserungen vorgenommen. Die vorhandenen Teiche wurden nach neuzeitlichen Grundsätzen verbessert. Neue Gräben und Teichdämme angelegt. Größere Wiesenflächen wie die Erzgrubenwiesen wurden zu Teichen, da sie als Wiesen wegen dem geringwertigen Gräserbestand unwirtschaftlich waren. So entstand damals eine blühende Teichwirtschaft. Einer der neuangelegten Teiche erhielt den Namen "Alfons-Teich" in Erinnerung und Verehrung des Dompropst Prälat Dr. Alfons Bläschke.

Das Dorf Ernstdorf hat seinen Namen von einem früheren Domherrn Ernst Graf von Strachwitz, der etwa um die Jahrhundertwende (1700 zu 1800) als Prokurator des Kirchenhalds das Dorf Ernstdorf entstehen ließ. In den Gemarkungen der beiden Dörfer Ernstdorf und Johannisdorf hatte die Domherrschaft größere Waldbezirke und die oben genannten Teichgebiete eingeschlossen. Die landwirtschaftlichen Flächen waren an Kleinlandwirte aus diesen Dörfern verpachtet. In Smollok bei Wedelsdorf hatte die Domherrschaft einen Waldbezirk der von der Försterei Tscheschenhammer verwaltet wurde.

Tscheschenhammer war ein größeres Dorf mit Kirche und Gut. Bis zur Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg (1919) wurde es als Filialkirche von Tscheschen mit betreut. Durch die neue Grenze fielen zwei Drittel des Kirchenhalds zu Polen und nur ein Drittel blieb bei Deutschland. Das Gut, das früher eine Fläche von etwa 400 ha hatte, war immer verpachtet. Der Vorpächter Baydel hatte es von dem Pächter Musiol übernommen. Bei dieser übernahme wurde es um etwa 228 ha verkleinert. Von diesen 228 ha wurde ein größerer Teil aufgeforstet und der Rest an Kleinbauern verpachtet. Musiol hatte als Vorgänger den Pächter Welzel, der während einer Sitzung des Schulvorstandes an einem Schlaganfall gestorben ist. Sein Grab war auf dem Friedhof in Tscheschenhammer, an der Kirche. Er war ein Bruder des sehr bekannten Gymnasialprofessors Paul Welzel vom Matthiasgymnasium in Breslau.

Das Gelände in und um Tscheschenhammer bestand aus Sandböden, und zwar teilweise trockener Sand, dann humoser Sand und etwas besserer Sand, der aber mit Raseneisensteinschotter durchsetzt war. Größere Weiden- und Wiesenflächen waren mittlerer Güte. Sehr ungünstig waren die Vorflut und Untergrundwasserverhältnisse. Wegen des zu hohen Grundwasserstandes mußten viele Flächen in einem besonderen Flachdammverfahren bestellt werden. Die Erträge waren sehr gering und wurden wiederholt durch überschwemmungen (ab 1925) fast völlig vernichtet.
Mit Unterstützung des Domkapitels konnten 50 ha drainiert werden. Dazu lieferte das Domkapitel aus der Ziegelei Tscheschen die notwendigen und erforderlichen Drainrohre. Durch diese Drainierung und weitere landwirtschaftliche Verbesserungen wie Neuanlage von Weiden und Wiesen, Korbweiden- und Spargelanbau (3,5 ha) sowie die Einführung neuer Pflanzen wie Süßlupine und Körnermais, gelang es schließlich die Erträge des Gutes soweit zu steigern, daß für die Pächterfamilie die nötige Existenzgrundlage gegeben war.

Auch für die Arbeiter des Gutes waren befriedigende Lebensbedingungen vorhanden. Das Arbeiterwohnhaus war etwa um 1870 neu erbaut worden und hatte gute Wohnmöglichkeiten. Bei der Spar- und Darlehnskasse in Grenzhammer, wie Tscheschenhammer seit 1934 hieß, hatten einige Gutsarbeiterfamilien sehr ansehnliche Konten. Der ganze Gutshof im großen Rechteck angelegt, mit einem kleinen Teich in der Mitte, machte einen guten Eindruck. Das Pächterwohnhaus ist etwa um 1815 erbaut worden. Die äußeren Mauern waren aus Raseneisensteinblöcken hergestellt. Sie erinnerten an die frühere Eisengewinnung in dieser Gegend. Davon zeugt auch der Name Tscheschen h a m m e r. Dicht neben dem Gutshof soll der Hammer gestanden
Abb. 72
Das Straßennetz im Kreisgebiet. (Entwurf und Ausführung Dr. Wieland, Festenberg)
haben, mit dem die Eisensteinbrocken zerkleinert wurden. An den beiden kurzen Seiten des Gutshofes stand je eine zweitennige Scheuer. An der Längsseite, gegenüber dem Pächterwohnhaus waren lange Wirtschaftsgebäude mit Ställen für Schweine, Jungvieh und Pferde. Ein besonderer Kuhstall stand gegenüber des Arbeiterwohnhauses. Diese Gebäude waren während der Pachtperiode Musiol massiv ausgebaut worden. Die Seitenmauern bestanden auch hier aus Raseneisensteinblöcken.

Der Forstbezirk von Tscheschenhammer, Smollok (bei Wedelsdorf) und Tscheschenglashütte stand unter der Verwaltung der Försterei Tscheschenhammer. Revierförster August Mikutta, der mehrere Jahre auch die Amtsvorstehergeschäfte geführt hat, leitete und betreute den Forstbezirk, unterstützt vom Waldwärter Missale, der in Wedelsdorf ein kleines eigenes landwirtschaftliches Anwesen hatte. Im Gebiet von Tscheschenhammer befand sich auch noch eine ehemalige Schäferei, die August Malig in Pacht hatte und etwa 8 ha Acker und Wiesen pachtweise bewirtschaftete. Er war nebenbei Werkmeister bei seinem Bruder Franz, der in Smollok ein Dampfsägewerk mit Landwirtschaft zu eigen hatte.
In Tscheschenglashütte hatte das Domkapitel einen größeren Waldbezirk, der von der Försterei Tscheschenhammer betreut wurde. Eine dort gelegene größere Wiese, die Schwarzwaldwiese, gehörte zur Gutspacht Tscheschenhammer.
In Tscheschenglashütte, das aus vielen kleineren und größeren landwirtschaftlichen Anwesen bestand, hat fast 50 Jahre hindurch Lehrer Alfred Schneider gewirkt, der im Nebenberuf ein großer Imker war. Er lebte nach der Vertreibung in Limburg an der Lahn. In allen genannten Gemarkungen waren an viele kleinere Landwirte der genannten Dörfer etwa 380 ha Acker- und Wiesenland verpachtet, die von der Forstverwaltung überwacht und betreut wurden.

Am 20. Januar 1945 wurde Tscheschenhammer von fast allen seinen bisherigen Bewohnern verlassen. Ein letzter Abschiedsgottesdienst fand in den frühen Morgenstunden statt. Der größte Teil der früheren Bewohner hat sich in der Gegend von Bautzen angesiedelt. Unter ihnen befand sich auch der langjährige Bürgermeister von Tscheschenhammer, Emanuel Piekarek, mit zwei seiner Söhne (Nechern 35, Bez. Bautzen). Bis ins hohe Alter sorgte er sich noch in rührender Weise um seine Landsleute, von denen seit Verlassen der Heimat mehr als 45 verstorben sind. Die Arbeitskräfte des Gutes gingen zusammen mit den Dorfbewohnern auf die Flucht. Sie wurden vom gemeinsamen Treck in der Tschechoslowakei getrennt und kehrten nach Tscheschenhammer zurück, bebauten wieder das Land und erwarteten die Rückkehr des Pächterehepaares. Im Frühjahr 1947 mußten sie aber erneut Tscheschenhammer verlassen.

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