Die Freie
Standesherrschaft Wartenberg in Schlesien
Von Prinz Karl Biron von Curland
Die Freie Standesherrschaft Wartenberg ist die älteste Freie
Standesherrschaft Schlesiens. Am 7. Oktober 1489 trennte König Matthias
Corvinus von Ungarn, der damals über Schlesien gebot, den Districtus
Wartenbergensis das Gebiet des späteren Kreises Groß Wartenberg vom
Herzogtum öls ab und machte es zu einer selbständigen, freien, nur dem
Oberlandesherrn von Schlesien unterworfenen, Herrschaft.
Bis dahin war
Schlesien nur in Herzogtümer eingeteilt gewesen unter Herzögen aus dem
Hause der Piasten. Das einzige selbständige territoriale Gebilde neben
den Herzogtümern war das Bistum Breslau. Sie alle unterstanden seit dem
Trentschiner Vertrag (1335) dem König von Böhmen als dem Oberlandesherrn
von Schlesien. Auf den Böhmischen Königsthron erhob Matthias Corvinus
Anspruch. Gegen ihn empörte sich Herzog Konrad der junge Weiße von öls.
Des Königs Feldhauptmann, Hans von Haugwitz, schlug den Aufstand nieder.
Zur Belohnung erhielt er ein Stück des ölser Territoriums - eben das
Wartenberger Gebiet als Freie Standesherrschaft. Wie der Herzog von öls
war er nun ein Landesherr. Als Schlesischer Stand saß er mit den
Herzögen und dem Bischof auf dem Breslauer Fürstentag.
Hans von Haugwitz
scheint unvermählt gewesen zu sein. Sein Bruder Hynko, der ihm im
Besitz von Wartenberg nachfolgte, war mit Elisabeth von Schaffgotsch
verheiratet. Ihr Grabmal, das älteste des Kreises, schmückt noch heute
die katholische Kirche in Groß Wartenberg. Hynkos Schwiegersohn und
Erbe, Zdenek Löwe von Rosental und Blatna, verkaufte 1529 die
Standesherrschaft an den österreichischen Generalfeldmarschall Ritter
Joachim von Maltzan, nachmals Freiherr von Wartenberg und Penzlin,
welche Titel seine Nachkommen noch heutigentags führen. Als bewährten
Strategen bestellte ihn der Schlesische Fürstentag zum Obersten
Feldhauptmann des 22 500 Mann starken schlesischen Hilfsheeres gegen die
Türken. Es war Maltzans Verdienst, daß Sultan Soliman, der 1543 bis zur
Waag vorgedrungen war, sich nach Adrianopel zurückziehen mußte. Nicht
weniger bedeutend war Maltzan als Diplomat. Dem Reichstage von Augsburg
wohnte er als Rat König Ferdinands von Böhmen und Ungarn bei. In
Schlesien führte er Verhandlungen mit Polen, die für die Stadt
Wartenberg, für seine Herrschaft, besonders aber für Breslau von größter
Wichtigkeit waren. Der König von Polen hatte eine Grenzsperre gegen alle
Habsburgischen Lande verhängt, wovon auch Schlesien betroffen wurde.
Kurfürst Joachim von Brandenburg suchte sich diese Lage zunutze zu
machen und den Handel aus dem Osten über Frankfurt an der Oder zu
ziehen. Freitag nach Corporis Christi des Jahres 1549 konnte jedoch
Maltzan aus Wartenberg seinem König melden, daß seine Bemühungen zum
Erfolge geführt hätten, und die Straßen,von Polen nach Breslau wieder
offen seien.
Weniger erfreulich gestalten sich Maltzans finanziellen
Verhältnisse. Als er sich gar an Kirchen- und dem Vermögen der Stadt
Wartenberg vergriff, wurde durch Königliches Patent vom 20. Januar 1551
eine Execution gegen ihn ins Werk gesetzt, und der Königliche Hauptmann
Hans von Oppersdorff erschien mit einer Truppe von 370 Soldaten vor
Wartenberg und nahm Schloß und Stadt ein. Den Standesherrn zu fangen,
war ihm jedoch nicht vergönnt. Derselbe hatte sich nach Mecklenburg
abgesetzt.
Der finanziellen Schwierigkeiten, die sein Vater ihm
hinterlassen hatte, wurde sein Sohn Hans Bernhard zeitlebens nicht Herr.
Wie sein Vater stand er in diplomatischen Diensten des Kaisers und starb
auf einer Gesandtschaftsreise in Lublin. Er wurde in der katholischen
Kirche zu Groß Wartenberg beigesetzt, wo sein Grabmal noch zu sehen ist.
Seine Witwe entschloß sich, der Schulden wegen die ganze Herrschaft am
4. September 1571 an den Kaiserlichen Kammerrat und späteren Präsidenten
der Kaiserlichen Kammer zu Breslau und Obersten Lieutenant der
Schlesischen Kriegsmannschaft, Ritter Georg von Braun, zu verkaufen. Der
neue Besitzer tat sehr viel zur Hebung des sozialen Gefüges und der
Wirtschaft seiner Herrschaft. Er erließ eine sogenannte "Robottordnung",
die die Belastungen für den Bauernstand regelte. Mit dem Obristen
Zollverwalter der polnischen
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Historisches Gasthaus "Zum Eisernen Kreuz" und
Schloßeingang |
Krone, Jakob Rokossowski, schloß er am 26. November 1575 einen
Zollvertrag, der dem Salz- und Textilienhandel vor allem der Stadt
Wartenberg zugute kam. Im Streit des Militscher Standesherrn von
Kurzbach mit dem polnischen Grafen Andreas Gorka suchte Braun zu
vermitteln. Das sollte ihm aber schlecht bekommen. Denn Gorka, der sich
benachteiligt glaubte, ließ Braun, als dieser zu einer Taufe nach
Neumittelwalde fuhr, am 19. Juli 1579 in der Gaffroner Heide überfallen,
wobei das neben dem Standesherrn in der Kutsche sitzende Edelfräulein
Ursula von Kottwitz erschossen wurde, und führte den Standesherrn
gefangen nach Polen ab. Bischof Martin von Breslau intervenierte sofort
beim König von Polen und erreichte die Freilassung Brauns am 25. Juli.
In die Regierungszeit Brauns fallen drei wichtige Ereignisse:
1578 die
erste Volkszählung in Schlesien
1581 die Umstellung der Uhr von bisher
24 Stunden
ab Sonnenuntergang auf nunmehr zweimal 12 Stunden ab Mitternacht und
1584 die Einführung des Gregorianischen Kalenders.
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"Seufzer-Allee" im Schloßpark
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Brauns Sohn scheint
ein jähzorniger Herr gewesen zu sein. Er erschoß im Streit einen Herrn
von Seydlitz. Der Kaiser kommandierte ihn darauf zur Strafe nach der
Festung Wyrwar in Ungarn zur Grenzwacht wider die Türken. Das bewog
Braun, der Standesherrschaft zu entsagen und sie 1592 an den Grafen und
Burggrafen Abraham zu Dohna abzutreten. Die Dohnas haben Wartenberg bis
1734 besessen. In 1594 begannen sie ein Schloß innerhalb der Stadtmauern
zu bauen, nachdem die alte Burg, die etwa 300 Meter weiter ostwärts
außerhalb der Stadtmauern lag, den Anforderungen der Zeit nicht mehr
genügte. Sie ist dann im Laufe der Zeit verfallen und verschwunden, und
nur ein Stein mit Inschrift zeigte die Stelle an, wo sie gestanden
hatte. Das erste Dohnasche Schloß wurde ein Opfer der Flammen. 1721
wurde ein neues im
Barockstil erbaut. Abraham zu Dohna weilte als Kaiserlicher Gesandter
des öfteren in Polen und Rußland, um beide Länder zum gemeinsamen Kampf
gegen den Feind der Christenheit, die Türken, zu gewinnen. Zur Belohnung
für seine erfolgreichen Dienste bot ihm der Kaiser den Fürstentitel an,
den er jedoch ablehnte, da ihm die Würde eines Standesherrn von
Wartenberg höher dünkte. Die ständigen übergriffe polnischer Nachbarn
veranlaßten ihn, das Wacht- und Meldewesen an der Grenze zu reorganisieren
und in Polen ein Netz von Agenten zu unterhalten. Die Wartenberger
Dohnas waren die führenden Persönlichkeiten der Gegenreformation in
Schlesien. In den Dreißigjährigen Krieg griffen sie aktiv ein. Ihre
Standesherrschaft hatte viel unter Besatzungen, Plünderungen und Seuchen
zu leiden. Davon kündet ein Gedicht, mit dem der Dichter
Martin Opitz den Standesherrn zu Neujahr 1631 begrüßt:
Sei gegrüßt, du Quell der Jahre
und verleihe Vater Jan
Daß sich alle
Landesplage
Auf Dein Neujahr schließen kann.
Auf Dein Neujahr, das dem
Leben
Soll ein neues Glücke geben!
Fülle mit gesundem Winde
Unser
Wartenberger Feld
Daß die Pest sich nicht mehr finde
Derer Frucht uns
hinterhält
Daß wir Dörfer, Stadt und Auen
Eine gute Zeit nicht schauen.
Der Krieg führte zu einer Verwilderung der Sitten, der die Standesherren
zu wehren suchten. Bezeichnend dafür ist folgender Amtsbefehl, den
Landeshauptmann von Borwitz an die Stadt Wartenberg erließ:
"Ehrenfeste, Weise, Wohlbenamte, sonderlich geliebte Herren und
Freunde! Da fast jeden Sonntag und Feiertag wider Gottes Gebot das
Kaufen und Wuchern zur Zeit der Predigt im Schwange ist, also, daß die
Leute nicht dem Gottesdienst beiwohnen, was Sie billig auf Antreiben
Ihres eigenen Gewissens hätten bestrafen und nicht erst diesen
Amtsbefehl abwarten sollen, so ist das jetzt mein ernster Amtsbefehl,
daß Sie nunmehr solchen Handel und Jüdelei ernstlich verhindern und
abschaffen, widrigenfalls Sie zur Verantwortung gezogen werden. Für
meine Person bleibe ich denen Herren zu angenehmen Wohlgefälligkeiten
geneigt."
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Groß Wartenberg: Nach einer Abbildung aus der "Scenographia Urbium Silesiae"
von Fr. Bernh. Werner(1690-1776).
Das Original befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek München.
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Nach dem großen Kriege folgten Jahre der Erholung, dann kam im neuen
Jahrhundert der Nordische Krieg mit neuen Bedrängnissen. 1711 starben
die katholischen Dohnas aus. Wartenberg fiel - laut Testament von
Abraham Dohna - an die evangelische Linie der Dohna-Schlobitten. Diese
verkauften 1734 die Standesherrschaft an den Reichsgrafen Ernst Johann
von Biron, der damals Ministerpräsident von Rußland war und nach dem
Tode des letzten Herzogs aus dem Hause Kettler Herzog von Kurland werden
sollte. In seinem Hause hat sich die Standesherrschaft seither
nach dem Grundsatz der männlichen Primogenitur vererbt.
Rechte und
Umfang der Standesherrschaft waren im Laufe der Zeiten manchen
Veränderungen unterworfen. Nur der Name blieb unverändert: Freie
Standesherrschaft Wartenberg. Zunächst war der Standesherr ein
regierender Herr, dem die Justiz-, Steuer-, Polizei- und Militärhoheit
zustand. Er konnte sogar die Todesstrafe verhängen. Zu seiner Beratung
berief er den Landtag, dem als Stände Ritterschaft und Städte
angehörten. Der in der Herrschaft angesessene Adel durfte allein die
Rittergüter besitzen. Er hatte dem Standesherrn den Huldigungseid - das
Homagium -, den Treueid - Juramentum fidelitatis - und den Eid der
Untertänigkeit - Juramentum subjeetionis - zu leisten, ihm, wenn er auf
den Fürstentag zog oder hohen Besuch empfing, eine Begleitung zu
stellen, er war ihm zur Heeresfolge verpflichtet und hatte zu Festungs-,
Wege- und Brückenbauten beizusteuern. Zur Zeit von Georg Braun wurden 50
Ritter in der Standesherrschaft gezählt. Die Dörfer waren fast alle zu
deutschem Recht ausgesetzt, d. h. die Bauern genossen den Vorteil der
eigenen Gerichtsbarkeit und der Ableistung gemessener Dienste. Ihre Lage
verschlechterte sich jedoch wie im ganzen Abendland durch die politische
und wirtschaftliche Entwicklung im 15. Jahrhundert. Neue Lasten und
höhere Zinsen wurden ihnen auferlegt. Dem einen Riegel vorzuschieben,
dazu diente die "Robottordnung", die Braun am 12.9.1575 erließ, "beiden,
der Ritterschaft und ihren Untertanen zum Besten". Diese Ordnung spricht
für die hochgemute Gesinnung und die politische Weitsichtigkeit Brauns.
Dadurch, daß die Rechte und Pflichten der Bauern genau festgelegt
wurden, wurde die Rechtssicherheit erhöht und die Grundlage für eine
gedeihliche Wirtschaftsentwicklung gelegt. Wartenberg, wie der ganze
deutsche Osten, bleiben denn auch von den Erschütterungen der
Bauernkriege verschont. Die Städte waren dem Standesherrn untertan.
Außer Wartenberg waren dies Bralin und zeitweise Goschütz. Dagegen
scheinen Festenberg und Neumittelwalde erst nach ihrem Ausscheiden aus
der Standesherrschaft Stadtrechte erhalten zu haben.
Die Verwaltung der
Standesherrschaft führte der Landeshauptmann, ein angesessener Adliger.
Er gelobte bei Amtsübernahme alles, was des Standesherrn Notdurft
und Bestes erfordert, in Acht zu nehmen, Verschwiegenheit in Amtssachen
zu wahren, die "dem lieben Gott wohlgefällige Justiziam" ohne Ansehung
der Person zu fördern, Unrecht zu verfolgen und Arme, Witwen und Waisen
vor Bedrückung zu schützen. Zusammen mit dem Kanzler, der ihm zur Seite
stand, hielt er wöchentlich mindestens zwei Sprech- oder Amtstage ab, zu
den niemanden der Zutritt verwehrt werden durfte. Bei allen
Streitigkeiten hatte er erst einen Schlichtungsversuch zu unternehmen.
Ihm unterstanden auch das Polizei- und das Militärwesen. Er hatte die
Grenzen zu schützen und zu kontrollieren. Seine Besoldung betrug
anfänglich 200 Taler, erhöhte sich später bis zu 433 Taler im Jahr. Dazu
4 Malter Hafer und 2 Rehe jährlich, 4 Fuder Holz und ein Viertel Bier
wöchentlich, freie Wohnung und bei Dienstreisen 2 Taler Tagesspesen. In
den Dörfern walteten die standesherrlichen Amtleute unter Aufsicht des
Landeshauptmannes.
In herzoglicher Zeit, also vor 1489 hatte es in
Wartenberg 2 Obergerichte gegeben, das Hofgericht für die deutsche und
das Zaudengericht für die polnische Bevölkerung. In standesherrlicher
Zeit wurden beide Gerichte zum Landhofgericht, zuweilen auch Mann- und
Landgericht geheißen, zusammengelegt. Der Standesherr ernannte aus der
Zahl der angesessenen Adligen den Vorsitzenden des Gerichts, den
Hofrichter, und die 4 Beisitzer, die Landrechtssitzer sowie den
nichtadligen Landschreiber. Appellationsgericht war bis 1547 Magdeburg,
später Prag. Die niedere oder Patrimonialgerichtsbarkeit stand den
Gutsbesitzern zu. Nach 1489 entstanden weitere Freie Standesherrschaften
in Schlesien. 1494 Militsch, im selben Jahr Trachenberg, 1517 Pleß.
Jeder Standesherr hatte Sitz, aber alle vier zusammen nur eine Stimme
auf dem Fürstentag zu Breslau. Der Wartenberger Standesherr als der
Besitzer der ältesten Standesherrschaft und damit als der ranghöchste
Standesherr führte die Stimme. Der Fürstentag trat zweimal im Jahr, am
Montag nach Jubilate und am Montag nach Michaelis, zusammen. Er wachte
über die Prärogativen seiner Mitglieder, beschloß über allgemeine
Landessachen, wie Verteidigung und Verkehrswesen, und bewilligte Abgaben
und Hilfstruppen. Der Fürstentag vom 17.5. 1527 verstand sich angesichts
der drohenden Türkengefahr zu einer Steuer von 100 000 Goldgulden. Zu
deren Aufbringung schätzten sich die Fürsten und
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Evangelische Schloßkapelle in Groß Wartenberg um 1735. Graf
Ernst Biron von Curland (russischer Premierminister) erhielt mit
Schreiben vom 3. September 1735 die kaiserliche Erlaubnis eine
evangelische Schloßkapelle zu errichten. (Franzkowski, Chronik, Seite
381, 382.) Das Original dieses Kupferstiches ist im Besitz von Herrn
Hubert Slotta, 4200 Oberhausen, Falkensteiner Straße 10. Er stellte es
für die Reproduktion dankenswerter Weise zur Verfügung.
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Städte selbst
ein. Diese Selbsteinschätzung diente für die folgenden mehr als 200
Jahre, bis Schlesien preußisch wurde, als Steuerkataster. Die Freie
Standesherrschaft Wartenberg wurde dabei auf 42 571 Gulden geschätzt.
Der Standesherr war für das Aufkommen der Steuer in seiner Herrschaft
verantwortlich und führte sie an das Oberamt - nach 1555 Kaiserliche
Kammer - nach Breslau ab. Die Steuer innerhalb der Standesherrschaft
erhob ein Steuereinnehmer, der vom Landtag mit Zustimmung des
Standesherrn gewählt und nach Hinterlegung einer Kaution von 100 Talern
in Eid genommen wurde. Ein Ausschuß von 13 Einwohnern der
Standesherrschaft überwachte seine Amtsführung.
Mit der Zeit, besonders
nachdem Böhmen endgültig an das Haus Habsburg fiel, wurde die
Zentralgewalt immer straffer organisiert. Die Verwaltung wurde
bürokratisiert. Der Fürstentag zu Breslau verlor an Macht und Ansehen
und in gleichem Maße verringerten sich die Befugnisse des Standesherrn,
der immer mehr von seinen landesherrlichen Rechten an den Kaiser als dem
König in Böhmen abtreten mußte. Den neuen Gegebenheiten Rechnung tragend
erließ Burggraf Abraham zu Dohna 1592 für die Standesherrschaft
Wartenberg eine neue Landesordnung, als Richtschnur für die ihm noch
zustehende Rechtspflege und für die Verwaltung seines Landes. Sie wurde
am 22.10.1613 vom Kaiser bestätigt und behielt bis zur Einführung der
preußischen Ordnung ihre Gültigkeit.
Der Umfang der Standesherrschaft
entsprach ursprünglich dem des Kreises Groß Wartenberg, vor seiner
Zerschneidung 1919. Am 8.1.1607 wurde durch gütliche Vereinbarung der
nördliche Teil mit Neumittelwalde dem Herzogtum öls zugeschlagen und
1656 Goschütz durch Erhebung zu einer eigenen Freien Standesherrschaft
abgetrennt. Der persönliche Besitz des Standesherrn an Grund und Boden
war im Laufe der Zeiten sehr großen Schwankungen unterworfen. 1765
gehörten ihm Schloß Wartenberg, 20 Kammergüter, mit 27 Gutshöfen und
Vorwerken, und 22 Schäfereien, 15 Wasser-, 9 Wind-, 1 Walk- und 5
Schneidemühlen, 4 Ziegeleien, 24 Gasthäuser, welche nur herrschaftliches
Bier ausschenken durften, 1 Brauerei in Wartenberg, 1
Branntweinbrennerei in Wartenberg, 2 Pottaschsiedereien, 1 Färberei,
108 Fischteiche und viele Waldungen. Die Revenüen
wurden zu jener Zeit auf 36 000 Reichstaler geschätzt. Je geringer die
politische Macht wurde, um so mehr wird versucht, auf wirtschaftlicher
Ebene einen Ausgleich zu schaffen. Hatten die Standesherrn vor dem 17.
Jahrhundert die Wirtschaft ihrer Untertanen zu fördern getrachtet, so
beginnen sie nach dem Dreißigjährigen Kriege Gewerbe auf eigene Kosten
und in eigener Regie zu betreiben. Die Dohnas legten in Wartenberg eine
Tuchmanufaktur und eine Färberei an, an die die Bezeichnung "Farbe" für
Häuser in Schloß Vorwerk erinnert. In Maliers errichteten sie eine
Pottaschsiederei und in Schlaupe gruben sie nach Silber. Zu Dohnas
Zeiten bestanden Brauereien in Wartenberg, Bralin und Goschütz. Dem
Standesherrn machten es die Gutsbesitzer nach. Ein Balthasar von Borwitz
auf Cammerau wurde berühmt durch seine Branntweinprodukte.
Es entspricht
dem Zuge der Zeit, wenn nunmehr in der standesherrlichen Verwaltung die
Zahl der Beamten zunimmt. Wir hören von einem Wirtschaftsburggrafen,
einem Forstmeister, einem Rentmeister, Kornschreiber, Referendare,
Aktuare, Sekretäre und Kanzlisten. Um diese Zeit hören wir auch von
Juden. Im 17. Jahrhundert erfuhren sie Zuzug nach Wartenberg aus Polen,
für die Kaiserlichen Lande wurde am 8. Mai 1713 ein
Judentoleranz-Impostament erlassen, welches weitere Ansiedlung in den
Grundherrschaften erschwerte. Herzog Ernst Johann von Kurland gewährte
in seiner Standesherrschaft den Juden größere Freiheiten, als sie sonst
üblich waren, und vertrat diese Maßnahmen energisch in Wien.
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Bildmitte das alte Landratsamt, rechts die Stadtbrauerei
von Groß Wartenberg
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Einen
tiefen Einschnitt in die Geschichte der Standesherrschaft bedeutet der
übergang Schlesiens zu Preußen. Herzog Ernst Johann hatte als
Ministerpräsident des russischen Reiches durch Vorstellungen in Berlin
und Wien ersucht, einen Krieg der deutschen Mächte um Schlesien zu
verhindern. Er wies auf die großen Möglichkeiten und Aufgaben hin, die
der Raum im Osten, besonders bei dem sich abzeichnenden Verfall der
türkischen und der tatarischen Macht bot, und die er von Moskau aus gut
beurteilen konnte. Er machte den Vermittlungsvorschlag, Schlesien an
Sachsen anzugliedern, und damit diesem Lande eine Landbrücke nach Polen,
mit dem es durch dieselbe monarchische Spitze verbunden war, zu geben.
Der kurländische
Herzog sollte mit seinen weitblickenden Ideen nicht
durchdringen. Schlesien wurde preußisch. Friedrich der Große löste den
Schlesischen Fürstentag auf und ernannte an seiner Statt einen
dirigierenden Minister, dem das Steuerwesen, die Versorgung des Heeres,
die Polizei, die Verwaltung und die Domänen unterstellt wurden. Das alte
Steuerkataster von 1527 wurde abgeschafft und durch ein neues ersetzt.
Das Land erfuhr eine Einteilung in Kreise, an deren Spitze ein Landrat
trat. Das Gerichtswesen wurde grundlegend geändert. Bezüglich der Freien
Standesherrschaft Wartenberg erließ der König unter dem 19.2.1742 aus
dem Feldlager bei Znaim folgende Order:
"Wenn nun gedachte Standesherrschaft bis dahin eine besondere Regierung
gehabt, ich aber solche zu lassen, vorderhand garnicht für nötig
befinde, als ist meine Willensmeinung, daß solche Regierung nebst der
Landeshauptmanne allda bis zu anderer Verordnung gänzlich eingehen,
dahingegen das Justizwesen dieser Herrschaft und, was eigentlich dahin
gehört, so viel solches die vom Adel und die Städte angeht, von dem
Breslauer Oberamt relevieren soll ...
Darauf erschien am 5.4.1742 der Oberamts-Regierungsrat Johann Jakob von
Földner als Königlicher Kommissarius in Wartenberg und löste die
Standesherrliche Regierung auf. Allerdings hing diese Auflösung noch mit
anderen Umständen zusammen. Dem Freien Standesherrn Graf Ernst Johann
von Biron, der mittlerweile Herzog von Kurland geworden war, aber
gleichzeitig Ministerpräsident von Rußland blieb und dort nach dem Tode
der Zarin Anna Iwanowna zum Regenten für ihren unmündigen Nachfolger,
Zar Iwan IV. ernannt worden war, stieß die Fatalität zu, 1740 von einer
Palastrevolte gestürzt und nach Sibirien verbannt zu werden. An seiner
Stelle wurde Graf Münnich russischer Ministerpräsident und erhob
Ansprüche auf die Besitze seines gestürzten Vorgängers. Sowohl Kaiserin
Maria Theresia als auch Friedrich der Große sprachen Graf Münnich die
Standesherrschaft Wartenberg zu. Aber am 5.10.1741 wurde Graf Münnich
von der Zarin Elisabeth verhaftet und ebenfalls nach Sibirien verbannt.
Daraufhin sequestrierte der König die Standesherrschaft. Der Geheime
Finanzrat von Reinhard wurde nach Wartenberg depeschiert, um so schnell
und so geheim wie möglich
die Herrschaft für den König in Besitz zu nehmen und alle
herrschaftlichen Gelder sicherzustellen. Aber 1762 kehrt Biron aus der
Verbannung zurück und tritt die Herrschaft über sein Herzogtum Kurland
wieder an. Friedrich der Große beeilt sich, ihm Wartenberg freizugeben
als dem rechtmäßigen Besitzer. Eine Erinnerung an die Zeit der
Sequestration ist der große Speicher in Schloß Vorwerk, der von der
Königlichen Regierung als Proviantmagazin errichtet worden war. Auch die
Standesherrliche Regierung lebt wieder auf. Aber ihre Rechte sind nur
noch Schatten von dem, was ihr Name bedeutet. Sie erlischt dann einige
Jahre später im Zeichen der Stein-Hardenberg'schen Reform. Der letzte
Landeshauptmann ist Graf Salisch, der bis 1808 amtiert. Mit der
Aufhebung der Petrimonialgerichtsbarkeit in Preußen am 1.10.1849 gehen
die noch bestehenden Standesherrlichen Gerichte ein: Das Landhofgericht,
das Forum der adligen Vasallen, bei dem Richter und Assessoren
angesessene Adlige sein mußten, und das Kammerjustizamt, das die
Gerichtsbarkeit über die Untertanen der Standesherrlichen Kammergüter
ausübte, sowie 25 Patrimonialgerichte auf den Vasallengütern der
Herrschaft. Damit erlöschen die letzten obrigkeitlichen Rechte des
Standesherrn. Er wird ein Gutsherr wie andere Gutsbesitzer, nur mit
entsprechend großer wirtschaftlicher Macht. Unter Standesherrschaft ist
fortan nur der Privatbesitz des Standesherrn zu verstehen. An die alten
Grundrechte erinnerten bis 1945 umfangreiche Grabenräumungs- und
Straßenbauverpflichtungen in Gegenden, in denen kein Grundbesitz mehr
vorhanden war. Auch blieben die Gutsbezirke bestehen und mit ihnen
gewisse Polizeifunktionen der Gutsbesitzer. Das Standesherrliche
Rentkammeramt, das die Kammergüter und die Einkünfte der Herrschaft
unter dem Landeskämmerer verwaltet hatte, wurde in Rentamt umbenannt.
Der Verwaltung stand jetzt ein Generalbevollmächtigter vor. Die
Sprechtage des Landeshauptmannes fanden ihre Fortsetzung in den
Amtstagen, die die Standesherren bis 1945 allwöchentlich mit ihren
oberen Beamten abhielten. Im öffentlichen Leben wurde die Stellung des
Freien Standesherrn von Wartenberg durch Verleihung eines Sitzes im
Preußischen Herrenhaus betont.
Auf den Herzog Ernst Johann von Kurland folgte als Standesherr von
Wartenberg und Herzog von Kurland sein Sohn Peter. Unter seiner
Regierung wurde sein Herzogtum durch die dritte Teilung Polens 1795 von
russischem Gebiet umschlossen. Auf ein Ultimatum der Zarin Katharina der
Großen hin verzichtete er auf sein Herzogtum unter der Bedingung, daß
den deutschen Einwohnern die Verwaltung des Landes belassen wurde, und
zog sich nach Sagan, einem anderen schlesischen Besitz, den er erworben
hatte, zurück. In Wartenberg ließ er nach den Plänen von Karl Gotthard
Langhans durch den Hofbaumeister Geyer aus Goschütz eine evangelische
Kirche erbauen, für die er alle Kosten selber trug. Diese Kirche gilt
als eine der schönsten evangelischen Kirchbauten und ist den Aposteln
Johannes und Petrus, seinem und seines Vaters Namenspatronen, geweiht.
Bis dahin bestand für die Protestanten nur eine Schloßkapelle in
Wartenberg. Zufolge des im Westfälischen Frieden durchgesetzten
Grundsatzes: cujus regio, ejus religio, war die Gegenreformation
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Schloßeingang Parkseite
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in Schlesien eingeführt worden und die Protestanten verloren
alle Kirchen. Graf Ernst Johann von Biron, protestantischen
Bekenntnisses, scheute keine finanziellen Opfer, um vom Kaiser das
Privileg zur Errichtung einer lutherischen Kirche zu erlangen. Es soll
ihm dieses Privileg, das ihm der Kaiser am 3.9.1735 gewährte, nicht
weniger als 50 000 Thaler gekostet haben. Es sah aber nur eine
Schloßkapelle, keine Kirche, vor, und der Besuch der Gottesdienste war
nur dem Standesherrn, den Mitgliedern seines Hauses, seinen Bedienten,
dem Adel der Standesherrschaft und den Einwohnern der Stadt Wartenberg
und ihrer Vorstädte gestattet. König Friedrich der Große gab allen
seinen Untertanen Religionsfreiheit. Das bedeutete für die
Standesherrschaft, daß den Katholiken ihre Kirchen belassen wurden, daß
aber die protestantischen Einwohner nicht mehr verpflichtet waren, den
katholischen Geistlichen Stolgebühren zu zahlen und Taufen, Trauungen
und andere Parochialhandlungen von ihnen vornehmen zu lassen. Sie wurden
nunmehr in evangelische Parochien eingepfarrt.
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Das Schloß der
Prinzen Biron von Curland von der Parkseite
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Zu Wartenberg kamen die Evangelischen von Klein-Kosel, Wioske,
Paulschütz, Himmelthal, Neuhof, Schleise, Mechau, Groß-Kosel, Baldowitz,
Schlaupe, Gohle, Bralin, Märzdorf, Mangschütz, Fruschof, Distelwitz,
Distelwitz-Ellguth und Cammerau, so daß ein großer Kirchenbau dringend
notwendig wurde. Am 1. Adventssonntag, dem 29. November 1798 weihte der
Herzogliche Hofprediger Sassadius die heute noch stehende, inzwischen
renovierte Kirche, die 2000 Personen Platz bot, ein.
Die napoleonischen
und die Freiheitskriege bedeuteten für die Standesherren Zeiten schwerer
finanzieller Belastung. Der Standesherr Prinz Gustav Calixt Biron von
Curland stand im Preußischen Heere und hielt dessen Ehre hoch, als er
nach dem Tode des Kommandanten von Neumann die Festung Cosel/OS als eine
der ganz wenigen preußischen Festungen bis zum Kriegsende gegen die
Franzosen hielt. Sobald er erfuhr, das York die Konvention von Tauroggen
geschlossen hatte, stellte er ein Bataillon aus den in Schlesien
befindlichen russischen Kriegsgefangenen auf, rüstete es aus eigenen
Mitteln aus und führte es Kaiser Alexander I. von Rußland, als dieser am
15. März 1813 mit dem Kaiser von österreich und König Friedrich Wilhelm
III. von Preußen durch Wartenberg kam und im Schloß abstieg, vor.
Einige
Tage später, am 28. April 1813, vernichtete ein Brand das Schloß und
einen großen Teil der Stadt. An einen Wiederaufbau des Schlosses war
zunächst nicht zu denken. Der Standesherr zog ins Gutshaus von Schleise,
wo sein Sohn Cafixt geboren wurde. Ihm folgte als Standesherr sein
ältester Sohn Karl Friedrich Wilhelm, der am 8. Mai 1843 mit seinen
Brüdern einen Vertrag schloß, der die Standesherrschaft in ein
Fideikommiß einbrachte. Der Besitz von Wartenberg sollte danach nur
einer männlichen Person aus dem prinzlichen Hause Biron von Curland
bestimmt nach dem Rechte der Primogenitur zukommen. Der Standesherr
starb 1848 an Typhus. Er war auf die Kunde einer in Oberschlesien
aufgetretenen Epidemie als Johanniterritter dorthin geeilt, um zu
helfen, und wurde selber ein Opfer der Krankheit. Sein Bruder Calixt
folgte ihm im Besitz der Standesherrschaft bis 1882. 1853 ging er an den Neubau
eines Schlosses, der in dem vom Herzog von Braunschweig mit seinem
Schloß Sibyllenort in Schlesien eingeführten englischen neugotischen
Tudorstil erfolgte. Das Gut Baldowitz und Teile von Märzdorf forstete er
auf. Von besonderer Bedeutung war die Umsiedlung der Gemeinde
Groß-Friedrichs-Tabor. Friedrich der Große hatte in der Zeit der
Sequestration der Herrschaft hussitische Kolonisten auf standesherrliche
Flächen angesetzt, indem er die Dörfer Groß- und Klein-Friedrichs-Tabor
gründete und den Rest der Kolonisten in Tschermin ansiedelte. Aus
wirtschaftlichem Erwägen heraus verpflanzte Prinz Calixt die Bewohner
des Dorfes Groß-Friedrich-Tabor mit Kirche und allen Gebäuden auf die
Flächen seines Gutes Gohle und forstete die von den Bewohnern
verlassenen Flächen auf. Seine besondere Sorge galt der Schafzucht. Die
Merino-Wollfleischherde in Schloß Vorwerk war bekannt. Seine Gattin,
Prinzessin Helene, eine geborene russische Fürstin Mestscherski,
stiftete, in unmittelbarer Nähe von Schloß Vorwerk, ein evangelisches
Waisenhaus, dessen Leitung dem
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Das prinzliche "Adelen-Stift"
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Frauenverein vom Roten Kreuz übertragen wurde und das im Dritten Reich,
als das Waisenhaus der Auflösung verfiel, in einen Kindergarten für das
Dominium Schloß Vorwerk umgewandelt wurde.
Prinz Calixt unterstützte als
Reichstagsabgeordneter der deutsch-konservativen Partei die Politik
Bismarcks. In dem Kulturkampf jedoch und in der antirussischen Haltung
des Berliner Kongresses trat er dem Reichskanzler entgegen. Dieselbe
politische Linie verfolgte sein Sohn und Nachfolger, Prinz Gustav, als
er im ersten Weltkrieg im Herrenhaus davor warnte, eine Neuordnung im
Osten ohne oder gegen Rußland vorzunehmen. In einem Immediatgesuch bat
er den Kaiser, die Wiederherstellung Polens der Zeit nach dem Kriege
vorzubehalten.
Prinz Gustav erweiterte das Schloß durch verschiedene An- und Umbauten.
Er baute die Toreinfahrt mit dem Betsaal, das Mausoleum im Park, den
Marstall, mehrere moderne Beamtenhäuser und das Postamt. Für die Witwen
der Beamten wurde das Adelenstift, ein nach der ersten Gattin des
Prinzen genanntes Altersheim
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Prinzessin Françoise Biron von
Curland mit Teilnehmern eines Kurses vom "Roten Kreuz" während des
Zweiten Weltkrieges
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mit 12 Wohnungen errichtet. Im Vorwerk Maliers wurde, nachdem die
Pottaschsiederei dort eingegangen war, ein Haus für Arbeiterwitwen
eingerichtet. Zum Andenken an seinen Sohn aus erster Ehe, der 1899
starb, erbaute Prinz Gustav die Prinz-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in
Schreibersdorf, der er als Pfarramt die Gebäude der Oberförsterei
Baldowitz schenkte. Die Parkanlagen erfuhren eine Neugestaltung und
bedeutende Erweiterung durch die Fasanerie um den Ententeich bis zum
Bahnhof Groß Wartenberg hin. Sie waren der öffentlichkeit
uneingeschränkt zugänglich. Gartendirektor Köchel legte 1897 einen
mustergültigen Formobstgarten an. Die von ihm ausgebildeten Gärtner
leiteten später so manchen Schloßgarten in Schlesien. In Gänseberg bei
Groß-Kosel wurde 1900 eine moderne Ringofen-Ziegelei mit Bahnanschluß
errichtet. Die Gattin des Standesherrn, Prinzessin Francoise, sorgte mit
sozialen Einrichtungen für das Wohl ihrer Untergebenen und Mitmenschen.
Im Ersten Weltkrieg leitete sie ein Lazarett das sie im Schloß
untergebracht hatte.
1914 bestand die Standesherrschaft aus rund 18 000 ha Land. Dazu
gehörten die Güter Schloß Vorwerk mit den Vorwerken Dyhrnhof und Mahers
und der Schäferei Weinberg, Schleise, Kunzendorf mit Vorwerk Helenenhof,
Mechau mit Vorwerk Luisenhof, Domsel mit Vorwerk Gut Glück, Trembatschau
mit Vorwerk Posmyk, Fürstl.-Neudorf mit Vorwerk Carlshof, Sbitschin,
Cojentschin, Bralin mit Vorwerk Sorge, Perschau mit Vorwerk Nieproschin,
Schreibersdorf mit Vorwerk Messinietz, Mangschütz mit Altvorwerk, Rippin
mit Rippin-Ellguth, Distelwitz, Kammerau und Neuhof mit dem
Schäfereivorwerk. Auf 9 Gütern (Trembatschau, Cojentschin, Perschau,
Bralin, Mechau, Schreibersdorf, Kunzendorf und Kammerau) waren
Brennereien vorhanden. In Trembatschau war eine Getreidemühle, zu
Cojentschin gehörte eine Molkerei. Die Forsten - etwa 7200 ha - waren zu
einer Oberförsterei zusammengefaßt und in 14 Reviere eingeteilt:
Baldowitz, Laterne, Bralin, Lipnik, Stempen, Rippin, Distelwitz,
Kammerau, Neuhof, Schleise-Kunzendorf, Kuropke, Fürstl.-Neudorf,
Schreibersdorf und Fasanerie. Auf 36 Morgen Areal wurde die
Schloßgärtnerei betrieben. Ziegeleien bestanden in Gänseberg und
Peterhof. In Perschau war ein Sägewerk, in Distelwitz eine Brettmühle.
Gasthäuser gehörten zur Standesherrschaft in Wartenberg das "Eiserne
Kreuz", die "Schloßbrauerei" und der "Weinberg", in Kunzendorf und
Bralin. Patronate bestanden an den evangelischen Kirchen in Bralin,
Groß-Friedrichs-Tabor und Schreibersdorf sowie an den katholischen
Kirchen Groß Wartenberg, Schleise, Kunzendorf, Distelwitz, Domsel,
Bralin, Groß-Kosel, Märzdorf, Trembatschau, Fürstl.-Neudorf, Schlaupe
und Türkwitz. Davon waren Schrotholzkirchen diejenigen zu Groß-Kosel,
Schlaupe und Distelwitz. Die evangelische Schloßkirche Groß Wartenberg
war Eigentum des Standesherrn, der allein alle Baulasten trug und
Pfarrer, Küster und Kirchenbeamte besoldete. Hier lag kein Patronat,
sondern ein Recht besonderer Art - sui generis - vor.
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Hochzeit in Potsdam Prinzessin Herzeleide von Preußen heiratet Prinz
Karl Biron von Curland (1938)
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Schlesien war im Laufe der Geschichte umstritten worden. Es hatte
verschiedenen Herren gehört. Aber seine Einheit war im wesentlichen
immer gewahrt worden. Aus dem Gebiet, das ehemals zur Freien
Standesherrschaft Wartenberg gehörte, war der Kreis Groß Wartenberg
geworden, während die Standesherrschaft auf den Privatbesitz des
Standesherrn reduziert wurde. Immer hatte das Gebiet der
Standesherrschaft zu Schlesien gehört und seine Ostgrenze war, soweit
die Geschichte sich zurückverfolgen läßt, intakt geblieben. Mit dem
unglücklichen Ausgang des Ersten Weltkrieges kam die Teilung Schlesiens.
Der Kreis Groß Wartenberg und mit ihm die Standesherrschaft Wartenberg
wurden zerschnitten. Der weitaus größte Teil der Standesherrschaft -
etwa 12 000 ha mit 11 Gütern, 7 Brennereien, einer Mühle, einer Molkerei
und 9 Forstrevieren - kam zu Polen. Deutsch blieben die in den Gemeinden
Groß Wartenberg, Klein-Kosel,
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Die ausgebrannte Ruine des prinzl. Schlosses (1945)
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Wioske, Schleise, Kunzendorf, Kammerau, Neuhof, Distelwitz,
Distelwitz-Ellguth und Rippin-Ellguth belegenen Flächen. Der Teil, der
polnisch geworden war, mußte einer eigenen Verwaltung unterstellt werden
und erhielt die Bezeichnung Herrschaft Bralin, Generaldirektor wurde der
Pole Ignatz von Unrug. Auch er konnte nicht verhindern, daß der
polnische Staat Steuern und Parzellierungsgesetze in konfiskatorischer
Weise zur Anwendung brachte, so daß der Herrschaft Bralin die
wirtschaftliche Grundlage entzogen wurde und sie im Jahre 1931 dem
polnischen Staate übergeben werden mußte. Aber auch für den deutsch
gebliebenen Teil waren die Jahre nach 1918 nicht leicht. Inflation und
Wirtschaftskrise bedrohten die deutsche Landwirtschaft. In Preußen
wurden grundbesitzfeindliche Gesetze erlassen. Erst wurden im Wege der
Enteignung etwa 600 ha für Anlieger-Siedlungen entzogen, dann wurden die
Fideikommisse aufgehoben. Es folgte die Auflösung der Gutsbezirke. Zur
Sicherung, wenigstens eines Teiles des Besitzes vor den Gefahren, die
die Erb- und Erbschaftssteuer-Gesetze bedeuteten, wurden drei
Schutzforsten gebildet: Schleise-Kunzendorf mit rund 1000 ha,
Kammerau-Rippin-Ellguth mit rund 500 ha und Distelwitz mit rund 1000
ha.
Am 1.7.1929 verzichtete Prinz Gustav auf die Standesherrschaft und
übertrug sie seinem ältesten Sohne, Prinz Karl. Derselbe erwarb aus dem
Gute Ottolangendorf den Forst in Größe von 174 ha und übernahm das
Sägewerk am Bahnhof Groß Wartenberg in eigene Regie. Neben dem Sägewerk
wurde, ebenfalls mit Gleisanschluß, eine Kartoffelflockenfabrik
errichtet. Auf allen Gutshöfen entstanden neue Arbeiterhäuser und
-wohnungen, und die alten wurden modernisiert. Die landwirtschaftlichen
Betriebe wurden mechanisiert. Erhebliche Staatszuschüsse ermöglichten
die Regulierung der Weide, der Schwarzen Weide, des Distelwitzer und des
Ulbersdorfer Wassers. Die alten Holzrohre der Schloß Vorwerker
Wasserleitung wurden durch Eisenrohre ersetzt. Diese Wasserleitung wird
zum ersten Male 1521 erwähnt. Sie leitet noch heute das Wasser von den
Quellen bei Maliers nach Schloß Vorwerk und versorgte Schloß Vorwerk,
alle standesherrlichen Gebäude in der Stadt, das Schloß und die
Schloßgärtnerei mit Wasser und hat des öfteren die
Versorgung der Stadt mit übernommen, wenn die städtische Leitung
ausfiel.
Nachdem der Vertrag mit dem Generaldirektor Thaer auslief,
wurde dieser Posten nicht mehr besetzt. Fortan gliederte sich die
Verwaltung in eine Güterdirektion, ein Forstamt und ein Rentamt. Der
Güterdirektor - nach dem Ausscheiden von Oberamtmann Barckmann wurde
Ernst Schlabitz Güterdirektor verwaltete die drei selbstbewirtschafteten
Güter Schloß Vorwerk, Schleise und Kunzendorf, er führte die Aufsicht
über die drei Pachtgüter Kammerau, Neuhof und Distelwitz, über die
kleinverpachteten Flächen und die Ziegelei Peterhof. Das Forstamt
leitete zuletzt Privatforstmeister Max Koberling. Die Forst, zu der die
Teiche gehörten, war in 4 Reviere eingeteilt, denen 1945 in
Kunzendorf-Schleise Revierförster Richter vorstand, in Neuhof-Fasanerie
Revierförster Groschke, in Distelwitz Revierförster Gigas und in
Kammerau-Rippin-Ellguth Revierförster Schwengber. Dem Forstmeister
unterstanden außerdem das Sägewerk und die Bauverwaltung.
Dem
Rentmeister oblag die gesamte Geldverwaltung. Nach Rentmeister Franz,
der mit 91 Jahren sein 75jähriges Dienstjubiläum feiern konnte, versah
Paul Pfeiffer und nach seinem Tode Martin Hoffmann diesen Posten. Der
letzte Sekretär und zugleich letzte standesherrliche Standesbeamte war
Paul Gerlach. 1934 wurde das 200jährige Besitzjubiläum der
Standesherrschaft im Hause Biron von Curland festlich begangen. Es
sollte die letzte Feier dieser Art sein. 1945 kam die Vertreibung und
Enteignung. Geblieben sind das Recht, die Tradition und die Hoffnung.
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