In eigener Sache

An den Anfang dieser Schrift stellen wir ein Wort des besonderen Dankes an den Kreis Grafschaft Schaumburg dafür, daß er die Patenschaft für den Kreis Groß Wartenberg ausübt und damit die Rechte und Interessen dieses schlesischen Kreises in seine Obhut genommen hat, so lange der schlesische Kreis nicht funktionsfähig ist.

Durch die übernahme der Patenschaft existiert der Kreis Groß Wartenberg als Gemeinschaft seiner früheren Einwohner und deren Nachkommen weiter, und für sie bildet der Patenkreis mit seiner schönen Kreisstadt Rinteln an der Weser einen neuen Mittelpunkt. Einen solchen in Westdeutschland zu besitzen, ist ein Vorteil, den die Wartenberger dankbar zu schätzen wissen.

Durch die Vertreibung waren die Bewohner des Kreises Groß Wartenberg in alle Winde zerstreut worden. In den Norden und Süden, in den Osten und Westen des deutschen Vaterlandes, diesseits und jenseits der Zonengrenze, und darüber hinaus in das Ausland waren Gruppen und Grüppchen von ihnen verschlagen worden. Eine Reihe verantwortungsbewußter Groß Wartenberger, denen daran gelegen war, den Namen ihres schlesischen Heimatkreises fortbestehen zu lassen, griffen den Gedanken der schlesischen Landsmannschaft eines Patenkreises auf. Bei der schwierigen Suche erwies sich Detlev von Reinersdorff einmal wieder als der kluge und hilfreiche Landesvater des Kreises, dem er 27 Jahre als Landrat vorgestanden hatte. Vor vielen Jahren war er als Referendar am Landratsamt in Rinteln tätig gewesen. Eine Anfrage bei Oberkreisdirektor Disch in Rinteln, ob man sich seines schlesischen Kreises annehmen wollte, fand ein offenes Ohr. So kam das Patenschaftsverhältnis zustande. Es war eine Hilfe, für die durch das Schicksal der Vertreibung schwer geschlagenen Menschen zueinander und zu sich selber zu finden, und geeignet, den Begriff der verlorenen Heimat in die Zukunft hineinzutragen.

Die Vertreibung bedeutet ja nicht nur den Verlust des Vermögens und vieler unersetzlicher lieber Erinnerungsstücke, sie bedeutet auch den Verlust solcher Unwägbarkeiten wie der heimatlichen Umgebung, der wohlvertrauten Landschaft, mit ihrer Tierwelt und mit ihrem besonderen und gewohnten Klima. Sie bedeutet den Verlust der Stätten der Pietät, der Kirchen und Friedhöfe, die über das Leben des einzelnen hinaus die Generationen an ihren Zusammenhalt gemahnen und Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft verklammern. Und sie bedeutet den Verlust von Menschen, in deren Mitte man geboren, mit denen man groß geworden, mit denen zusammen man zur Schule gegangen war, mit denen man beim Militär diente, neben denen man seiner Arbeit nachging, und mit denen man so manche Freude und so manches Leid geteilt hatte.
In dieser Lage bot die übernahme der Patenschaft den einsamen und entwurzelten Menschen einen Mittelpunkt, nach dem hin sie sich orientieren konnten, einen Ort, wo sie zusammenkommen, Bekannte von früher treffen und alte Erinnerungen austauschen konnten. Und wo sie mit dem beruhigenden Gefühl nach Hause fahren konnten, daß die alten Bande noch nicht zerrissen waren. Man muß die Treffen erleben, um ihren Wert ermessen zu können. Auch der heranwachsenden Generation kommt die Patenschaft zugute. Hier, bei den Treffen haben sie die Möglichkeit, die Menschen zu sehen und kennenzulernen, die mit ihren Eltern eine Gemeinschaft gebildet und von denen ihre Eltern erzählt hatten. Und damit gewinnt vor ihren Augen die nicht mehr gesehene schlesische Heimat Gestalt und wird ihnen zur Verpflichtung. Hier in Rinteln wird das Erbe von Groß Wartenberg verwaltet, hier wird die Tradition des Kreises wachgehalten, nicht zuletzt durch die Erinnerungsstücke, die das Museum aufbewahrt. Zum ersten Male durften die Wartenberger im Jahre 1956 in Rinteln zusammenkommen. Und seitdem haben sie sich alle zwei Jahre hier getroffen. So manche Freundschaft hat sich im Laufe der Zeit zwischen Einheimischen und Vertriebenen gebildet. Mit voller überzeugung können wir sagen, daß der Kreis Grafschaft Schaumburg für die Groß Wartenberger zu einer zweiten Heimat geworden ist. Daran wollen wir uns immer und gern erinnern.

Für den Arbeitsausschuß Prinz Karl Biron von Curland

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